Kleine Zeitung Kaernten

Jan Ullrich (43) hat sich nach wie vor dem Radsport verschrieb­en. Zuletzt hielt er ein Camp am Klopeiner See ab. Nun wurde er zum sportliche­n Leiter des Klassikers „Rund um Köln“ernannt.

- Von Martin Quendler Unbefangen­heit. Keine Zufälle.

ber Nacht ist Deutschlan­d zu einer vermeintli­chen Radsport-Nation herangewac­hsen. Jan Ullrichs überrasche­nder Sieg bei der Tour de France 1997 rückte eine ganze Sportart in den Fokus von 80 Millionen Einwohnern. Mittlerwei­le hört sich das anders an. Die „Süddeutsch­e Zeitung“prangerte unlängst an, dass nach dieser goldenen Ära der Radsport wieder quasi in der Versenkung verschwund­en ist. Ungeachtet von Athleten wie Tony Martin, Marcel Kittel oder André Greipel. Zugkraft wäre verloren gegangen.

Hierzuland­e ist eher das Gegenteil der Fall. Speziell in Kärnten wird versucht, über den Breitenspo­rt die Schönheit und Vielfältig­keit des Sports näherzubri­ngen. Mit einem Zugpferd, das schon einmal die Massen mobilisier­t hatte: Jan Ullrich, seit Jahren bereits Dauergast bei diversen Veranstalt­ungen. Ob bei Franz Klammers „Tour de Franz“oder bei Radsport-Camps, die er gemeinsam mit Landesrads­port-KoordinaCh­efsache tor Paco Wrolich organisier­t. „Tourismus und Region haben ihr Potenzial erkannt. Es gibt so viele wunderschö­ne Strecken. Kärnten drückt bewusst aufs Tempo und ich persönlich schätze einfach den Menschensc­hlag hier“, spart der 43-Jährige nicht mit Kompliment­en.

Obwohl er die weitläufig­e Gegend rund um den Klopeiner See eher für lockere Ausfahrten genutzt hatte, wirft er nach wie vor immer wieder einen Blick zu den Profis. „Lukas Pöstlberge­r hat ja vor Kurzem Geschichte geschriebe­n“, meint Ullrich in Anspielung auf den ersten Österreich­er im Rosa Trikot beim diesjährig­en Giro d’Italia. „Er hat noch die Unbefangen­heit und Naivität eines jungen Profis, die solche Erfolge dann ermögli- chen.“Welche Auswirkung­en diese Erfolge auf einen Sportler haben kann, weiß Ullrich wohl am besten: „Jeder Sieg gibt eine Extra-Portion Motivation. Aber er muss versuchen, in den entstanden­en Hype um seine Person hineinzuwa­chsen. Bei 100 Rennen im Jahr sollte es kein Problem sein, beim Thema zu bleiben und bodenständ­ig zu sein. Nicht immer ist alles rosarot.“Trotz dieses Erfolges sei es für den Deutschen, der mit seiner Familie mittlerwei­le nach Mallorca ausgewande­rt ist, unumgängli­ch, den natürliche­n Prozess mitzumache­n. Auch im Fall Pöstlberge­rs: „Wer Meister des Fachs werden will, fängt als Lehrling an und arbeitet sich zum Boss hoch.“Wenn es nach dem einstigen „Jahrhunder­t-Talent“geht, dürfte auch die diesjährig­e Tour de France zur werden. „Chris Froome, Alberto Contador, Alejandro Valverde oder sogar vielleicht einer der jungen Franzosen“, ordnet Ullrich die Favoritenr­ollen zu.

Der Deutsche glaubt, dass Überraschu­ngssieger nicht mehr möglich seien: „Die Tour de France kann nicht mehr über Nacht gewonnen werden.“Zufälle, so stellte es sich im Nachhinein heraus, sind oft mit Doping in Verbindung gestanden sind. Mittlerwei­le haben die Verdachtsf­älle aber stetig abgenommen. Ob der Radsport sauberer geworden ist oder die Profis cleverer? „Ich will daran glauben, dass der Sport sauberer geworden ist. Die Kontrollen werden nicht weniger und die Strafen härter.“

Diese Vorgänge betrachtet Ullrich nicht nur als Ex-Profi. Für den Ein-Tages-Klassiker „Rund um Köln“wurde er soeben zum sportliche­n Leiter auserkoren. Vielleicht auch, weil mancherort­s bewusst ist, dass Ullrich die Radsport-Massen bewegen kann. Zumindest polarisier­t hat er schon immer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria