Durchlüftet für das neue Jahrtausend
Heute vor zehn Jahren starb Dietmar Pflegerl. Als Intendant des Klagenfurter Stadttheaters setzte er neue Maßstäbe.
Er trat an, um „alte Geschichten neu zu erzählen“und lüftete damit das in der generationenübergreifenden Intendanz (1968 bis 1992) von Herbert Wochinz angegraute „Theater der Freude“ordentlich durch. Der „Tag der offenen Tür“zum Auftakt der ersten Klagenfurter Saison von Dietmar Pflegerl war für das Publikum im Herbst 1992 eine völlig neue Erfahrung, was sich danach auf der Bühne abspielte ebenso. Es riecht nach Programmatik, dass alles mit einem „Tanz auf dem Vulkan“beginnt, der populäre „Bockerer“Karl Merkatz die Handschrift des Regisseurs Pflegerl trägt und der damals 31-jährige „junge Wilde“Martin Kuˇsej mit Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“eine künstlerische Grenzmarke setzt, die zum Maßstab für künftige Schauspielinszenierungen wird.
Fünfzehn Jahre lang gehörte es nicht nur zum guten Ton, ein Theaterabonnement zu haben. Man ging ins Klagenfurter Stadttheater, um mitreden zu können. Das bleibt als Dietmar Pflegerls besonderes Verdienst, bis heute. Neben der neuen Ästhetik, dem politischen Engagement und den fabelhaften Auslastungszahlen. Wir baten Weggefährten des bedeutenden Theatermachers um eine Würdigung.
Martin Kusˇej (Regisseur). Dietmar Pflegerl war der Pionier, der das Klagenfurter Stadttheater ins 21. Jahrhundert geführt hat. Als Theatermacher, Künstler und politisch mutiger Mensch hat er dieses Land ebenso nachhaltig geprägt, wie seine zahlreichen korrupten Gegner – mit dem Unterschied, dass wir deren Dreck heute noch wegräumen müssen. Pflegerls Vermächtnis aber strahlt immer noch hell und unvergessen in der ziemlich düster gewordenen Kulturlandschaft Kärntens.
Peter Turrini (Autor). Der Tod von Dietmar Pflegerl hat auch nach Jahren eine Wunde hinterlassen, die sich nicht und nicht schließt. Ich denke mit Wehmut, aber auch mit Wut an ihn. Warum können wir uns nicht mehr anrufen und sofort drauflosdiskutieren.
Timna Brauer (Schauspielerin). Für mich als Musikerin ist Dietmar Pflegerl eine zentrale Figur in meiner theatralischen Karriere. Dass er mich nur auf meine Anfrage hin, intuitiv als Evita für die Seebühne engagiert und an mich geglaubt hat, hat mir viele neue Wege eröffnet. Die Investition an Zeit und Kraft in diese Rolle war ja enorm, aber es hat sich gelohnt. Dieses Vertrauen von Dietmar Pflegerl und sein Mut haben mich beeindruckt. Er hat mich dann mit vielen multikulturellen Programmen, lauter völkerverbindene Programme, sonntags ins Stadttheater eingeladen. Dass er sich in dem Land, das in den Neunzigerjahren so ein politisch heißes Pflaster war, gegen den Hauptstrom bewegt hat, habe ich bewundert. Dieses Geschenk werde ich ihm nie vergessen.
Stephanie Mohr (Regisseurin). Fast 20 Jahre ist es her, da stand für mich Frischling alles in den Sternen, da beschloss das Theatertier in Dir samt seinem fantastischen Bauchgefühl, mich auf die große Klagenfurter Bühne loszulassen: Du hast Dich getraut und weiter vertraut, mir Carroll und Loher und Widmer und Bachmann und Kleist anvertraut. Danke!!! Fast 10 Jahre ist es her, da bist Du gegangen, Dietmar. Und Du wirst schmerzlich vermisst!
Florian Scholz (Intendant). Dietmar Pflegerl ist nicht tot. Zumindest sein Geist lebt weiter, in unseren Mauern, in der täg-
lich gelebten Tradition unseres schönen „Jubiläums-Stadttheaters“. So erlebe ich es Tag für Tag, die Spuren seines Wirkens sind nicht zu verkennen. Was ich über diesen herausragenden Theatermann weiß, stammt aus dieser indirekten Erfahrung, und wie ein Puzzle setzt sich über die Jahre das Bild eines sehr besonderen Menschen zusammen. Er hatte eine starke Vision, und zugleich den Mut und Energie, diese auch umzusetzen, und vertraute einer neuen Generation junger, künstlerisch bedingungsloser Regisseurinnen und Regisseure. Pflegerl hatte das Gespür für Ausnahmebegabung und hat sich dann bedingungslos dafür eingesetzt. Zu Beginn hat man ihm dafür die Autoreifen aufgeschnitten. Später ihn dafür verehrt. Verehrt auch für sein politisches Rückgrat.
Maja Haderlap (Autorin). Dietmar Pflegerl war ein enthusiastischer Intendant. Er wollte für das Theater begeistern und hatte keine Lust, ständig über Ängste und Befürchtungen jeglicher Art nachzudenken. Ein Theater zu leiten, bedeutete für ihn, Theater zu ermöglichen. Er wollte Konkurrenz und konnte sich über den Erfolg anderer genauso freuen wie über den eigenen. Mit ihm zu arbeiten, hieß, im wahrsten Sinne tätig zu sein, nämlich etwas in Bewegung zu bringen.
Michael Sturminger (Regisseur). ich verdanke dietmar pflegerl sehr viel. er hat mich gefördert und an mich geglaubt, er hat meine arbeit geschätzt und mich als regisseur ernst genommen. als er für den sommer 2006 die einladung erhielt, mozarts jugendwerk „il sognio di scipione“gemeinsam mit den salzburger festspielen zu produzieren, hat er mir diese inszenierung angeboten, obwohl er sich selbst vielleicht auch gerne einmal als regisseur bei den festspielen gesehen hätte. wenn ich kommenden sommer in salzburg den „jedermann“inszenieren werde, hab ich das auch ihm zu verdanken!