Besuch eines Unberechenbaren
US-Präsident Donald Trump kommt diese Woche nach Europa. Sein unklares Verhältnis zum Kreml sorgt dort für Unruhe.
Wenn amerikanische Präsidenten den alten Kontinent besuchen, ist das immer etwas Besonderes. Die USA sind die ältesten Verbündeten der Europäer. Während des Kalten Krieges haben sie fast fünf Jahrzehnte lang schützend die Hand über die westliche Staatengemeinschaft gehalten und Moskau als Supermacht in Europa militärisch die Stirn geboten.
Und auch wenn Amerikas Interesse an Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs doch deutlich abgeflaut ist, so ging bisher doch kein US-Präsident so weit, die transatlanti- schen Beziehungen im Grundsatz infrage zu stellen.
Mit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus hat sich das radikal geändert. Trump ist ein Problem für Europa. Das wurde bereits im Wahlkampf offenkundig, als der New Yorker Immobilienmogul aus seiner Abneigung gegen die EU kein Hehl machte, das Brexit-Votum der Briten lobte und die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel geißelte. Als Trump dann auch noch erklärte, die Nato sei obsolet, war bei den Europäern Feuer am Dach.
Zwar schwächte der US-Präsident, kaum im Amt, rasch ab und ließ über seinen Vizeprä- sidenten Mike Pence in München ausrichten, er stehe zum Bündnis. Und auch die EU findet Trump inzwischen „wundervoll“. Aber wer kann das angesichts dieser chaotischen Präsidentschaft schon mit hundertprozentiger Sicherheit für bare Münze nehmen?
Trump ist für die Europäer eine unberechenbare Größe.
Er gibt ihnen zu verstehen, dass die Zeiten des sicherheitspolitischen Kostgängertums vorüber sind. Zugleich wissen sie nicht erst seit Russlands Überfall auf die Krim, dass sie den Kontinent alleine nicht verteidigen können. Ihre Verunsicherung ist daher zum Greifen spürbar, wenn Trump am Donnerstag im Zuge seiner ersten Auslandsrei- se nach Stationen in Saudi-Arabien, Israel und im Vatikan bei Papst Franziskus auch nach Brüssel kommt, um die Spitzen der Nato und der EU zu treffen.
Trump wird dabei – wie schon seine Vorgänger – darauf drängen, dass die Europäer mehr ins Militär investieren. Und er will auf dem Nato-Gipfel mit Staats- und Regierungschefs aus 25 Ländern Möglichkeiten für den Kampf gegen die Terrormiliz IS erörtern.
Heimliche Causa prima wird aber wohl Trumps ungeklärtes Verhältnis zum Kreml sein und die Frage, ob er sich durch mögliche Russland-Verstrickungen erpressbar gemacht hat. Dieses Szenario sorgt auch in Europa für höchste Unruhe. Schließlich stellt Moskau mit seinem kaum verschleierten Krieg gegen die Ukraine und seinen Drohungen gegen europäische Nachbarn die größte Bedrohung für die EU dar. Allein im Vorjahr haben die Nato-Kampfjets von europäischen Militärbasen aus 780 Einsätze zur Überwachung russischer Flugzeuge geflogen. So viele waren es zuletzt im Kalten Krieg. Gleichzeitig hat das transatlantische Bündnis die militärische Präsenz an seiner Ostflanke, im Baltikum und in Polen, spürbar verstärkt.