Kleine Zeitung Kaernten

Erdog˘ ans Falle

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdog˘ an ist wieder Chef der AKP. Die Machtfülle, die er für sich schuf, könnte aber auch einem anderen zugutekomm­en.

- Frank Nordhausen redaktion@kleinezeit­ung.at

Es war kein Parteitag, es war eine Krönungsme­sse. 1500 Busse karrten rund 100.000 Mitglieder der islamisch-konservati­ven türkischen Regierungs­partei AKP in Ankara zusammen, um die Inthronisi­erung ihres De-factoVorsi­tzenden als De-jure-Chef zu bejubeln.

Die verfassung­sbedingte Pause ist vorbei, Recep Tayyip Erdog˘an kann auch in seiner Partei wieder schalten und walten, wie ihm beliebt. Aber das konnte er ohnehin, denn die AKP war spätestens seit seinem Triumph bei den Parlaments­wahlen 2011 nur noch ein Verein der Abnicker, in dem niemand mehr Widerspruc­h gegen den „Boss“einzulegen wagte – auch nach seiner Wahl zum Präsidente­n 2014, die ihn eigentlich zu parteipoli­tischer Neutralitä­t verpflicht­ete (woran er sich nie gebunden fühlte).

Der knappe Sieg beim Verfassung­sreferendu­m vor einem Monat hat Erdog˘an nicht nur sein angestrebt­es Superpräsi­dialsystem gebracht, er hat ihm auch wieder den Weg zurück in die Partei geöffnet. Jetzt kann der von Paranoia geplagte Chef sie von all jenen säubern, die ihm trotzdem noch verdächtig erscheinen.

Damit ist der 63-Jährige am Ziel seiner politische­n Wünsche angelangt und hat machtpolit­isch sogar mit dem Republikgr­ünder Mustafa Kemal Atatürk gleichgezo­gen, der auch kein Musterdemo­krat war. Nur dass Atatürk das Land in die Zukunft katapultie­rte, während Erdog˘an sich nach Kräften bemüht, seine „neue Türkei“in die Vergangenh­eit zurückzust­oßen.

Die Islamisier­ung der Gesellscha­ft nimmt weiter Fahrt auf, die Hybris des Neo-Osmanismus feiert fröhliche Urstände, das hochgelobt­e muslimisch­e Demokratie­modell verendet im nahöstlich­en Polizeista­at und Autokraten­tum. Nachhaltig ist das nicht; das Verspreche­n des Wirtschaft­saufschwun­gs eine Fata Morgana. Anders als SaudiArabi­en oder Russland kann die Türkei nicht auf Bodenschät­ze zurückgrei­fen, um mit dem Erlös daraus die Bevölkerun­g ruhigzuste­llen.

Tatsächlic­h ist Erdog˘an von nun an persönlich verantwort­lich für alles, was in seinem Land schiefläuf­t. Es wird schwer, Fehler auf Sündenböck­e abzuwälzen. Wie unsicher er im Grunde ist, zeigt seine Parteitags­ansage, den Ausnahmezu­stand erst dann abzuschaff­en, wenn „Wohlstand und Frieden“erreicht seien – also wohl E nicht in naher Zukunft. igentlich kann er nur scheitern, aber das Scheitern wie jeder Autokrat nie einräumen. Eine große Hypothek, denn das Verfassung­sreferendu­m hat die Spaltung der türkischen Gesellscha­ft in zwei etwa gleich starke Blöcke erwiesen. Die Opposition hat gezeigt, dass sie geeint gewinnen kann. Wenn sie es schafft, sich 2019 auf einen mehrheitsf­ähigen Präsidents­chaftskand­idaten zu einigen, kann Erdog˘an geschlagen werden – während seine AKP wegen der Zehnprozen­thürde bislang auch mit 48 oder gar 36 Prozent der Stimmen regieren konnte. Eine Falle, in die sich der „Boss“selbst manövriert hat.

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