„Das Erlebnis in Banken ändert sich fundamental“
Roland Smertnig ist globaler Chef der Bankensparte beim Beratungskonzern Accenture. Wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz die Bankenwelt verändern werden.
Finanztechnologiefirmen, Fintechs, greifen die Banken an. Überleben die Banken das auf lange Sicht?
ROLAND SMERTNIG: Die Banken werden auf jeden Fall überleben. Es wird ein Miteinander geben. Fintechs sind wertvolle Ergänzungen zu den Angeboten der Banken. Fintechs suchen auch die Zusammenarbeit mit ihnen, weil nachhaltiges Bestehen nur als Teil des Ökosystems erfolgreich möglich ist.
Welche Megatrends machen Sie als global Verantwortlicher des Bankberatungsgeschäftes im Bankensektor aus?
Der Nummer-1-Trend ist die totale Transformation in eine digitalisierte Welt. Digitale Transformation ist auf der Agenda jedes Vorstands und jedes Unternehmens ganz oben – und die einzige Chance, relevant zu bleiben.
Wie schaut eine Bank 4.0 aus?
Auch Kunden wollen mit Banken digital kommunizieren – von Mobile Banking bis zum Kreditabschluss per App. Die Schnittstelle zum Kunden wird zunehmend digitaler. Es wird nach wie vor Koexistenzen mit physischen Zweigstellen geben, wenn auch redimensioniert oder Flächenteilung mit anderen Retailern.
Wie viele Bankstellen fallen in den nächsten fünf Jahren weg?
Das ist ein sensibles Thema. Die Dichte des Filialnetzes wird auf jeden Fall zurückgehen, doch es entstehen auch neuartige Filialen mit Lounge-Bereich. Auf be- quemen Sofas kann der Kunde sein Handy aufladen oder Banking-Apps ausprobieren.
Die digitale Bank agiert wie?
Das Erlebnis, wie man Bankgeschäfte macht, wird sich fundamental ändern. Der Kundeninteraktion wird interaktiver werden. Man denkt nicht an Kontonummern, sondern an Bedürfnisse. Man will mit jemandem kurz einmal 20 oder 50 Euro teilen. Man will 100 Dollar überweisen – alles mit One-Click.
Die Bank meldet: Great: Geld eingelangt! Es wird emotionaler?
Es wird eher Antworten auf die Ziele des Kunden geben, die er quasi hinterlegt. Die Ansparung für das Auto gelungen. Diesen Monat doch zu viel für Lifestyle ausgegeben, so und ähnlich.
Die meisten Banken bieten der- zeit noch nicht einmal Chatbots, Computer-Antworten für Kunden.
Das ist das nächste Thema der digitalen Kundeninteraktion, dass vieles mit Big Data, mit Analytik und mit artifizieller Intelligenz ausgestattet wird. Die Chatbots antworten ja nicht einfach nach Regeln, sondern nach Prinzipien von künstlicher Intelligenz. Die Maschinen lernen wirklich.
Mit diesem Deep Learning per Big Data wird der Kunde gläsern. Es gibt Fintechs, die Kunden zu „Open Banking“einladen: Zeig deine Kontodaten gleich allen.
Allein durch die EU-Bankenrichtlinie PSD2 wird es Open Banking geben. Es ist auch für Banken eine Chance, wenn sie nicht nur ihre Daten haben, sondern auch Kundeninformationen von Mitbewerbern, sofern der Kunde dies wünscht. Sie können Kunden allumfassende Information geben, Service und Pricing zur rechten Zeit. Schon jetzt bieten Banken Robo-Advice für Wertpapier-PortfolioManagement.
Big Data birgt auch Risiken. Die Banken müssen die gesamte IT digital fit machen. Alles geht in die Public Cloud. Daher ist auch Cyber Security ein Nummer-1-Thema für alle CEOs von Banken und Versicherungen. Die Bedrohung, mit gestohlenen Daten am Pranger zu stehen, ist hoch.
Was passiert mit den Bankmitarbeitern?
Die Bank-Innenwelt wird digitalisiert. So wie die industrielle Revolution die Blue-WorkerAutomatisierung bedeutete, geschieht nun die White-CollarAutomatisierung. Im Backoffice-Bereich wird viel durch Robotics ersetzt, gepaart mit künstlicher Intelligenz. Wir werden eine Nettoverschiebung von reinen Bankmitarbeitern sehen, die in anderen Sektoren arbeiten werden: Health Care, Vorsorge- und Supportbereiche. Es wird Kapazität frei, um sich neuen, bisher unbekannten Dingen zu widmen.
Nicht allein im Finanzsektor.
Mit der Digitalisierung eröffnen sich auch unzählige neue, heute noch ungedachte Betätigungsund Geschäftsfelder. Ich bin sicher, dass wir nicht in eine Situation kommen, dass wir alle arbeitslos sind und nichts haben werden, sondern wir werden Kapazität freispielen.
Wie lange braucht es in Zeiten von Digital Banking noch Geld?
Grundsätzlich denke ich, dass weitgehend digitales Geld zu erwarten ist. Abschaffung der Banknoten? Da bin ich eher skeptisch. Es gibt immer noch einen Bedarf einer gewissen Anonymität und die ist nur mit Cash darstellbar. Deswegen gibt es aber Regulatoren, die das bekämpfen und nur mehr bargeldlosen Zahlungsverkehr wollen.
Derzeit schüttet die Europäische Zentralbank so viel Geld aus wie noch nie – Cash sowie an Staaten und den Finanzsektor.
Ob das gut geht, ist eine schwierige Frage. Sieht man die Alternativen, so gibt es einen Grund, warum es so gemacht wird.
Donald Trump will Bankregeln lockern. Wäre nach der Finanzkrise ein neuer Crash absehbar?
Es ist nicht so, dass die USMärkte unreguliert sind. Meine persönliche Meinung ist, es ist immer eine Gefahr, wenn man neben der realen Wirtschaftswelt schneller Geld aus Geld machen kann. Da ist immer irgendwo eine Frage im Raum, wann die Blase einmal zu groß wird und platzt.