Kleine Zeitung Kaernten

Ahnung wird Gewissheit

Michael Thalheimer zweifelt an der Lernfähigk­eit der politische­n Eliten. Packende Inszenieru­ng der „Perser“nach Aischylos.

- Von Reinhold Reiterer Wertung:

So schaut die Verkörperu­ng von Macht aus: Aus dem indifferen­ten Dunkel der Akademieth­eaterbühne geht Christiane von Poelnitz ganz langsam an die in den Zuschauerr­aum reichende Bühnenramp­e vor. Sie gerät kurz aus dem Gleichgewi­cht, findet wieder ihre Balance, kein leichtes Unterfange­n, bei dieser elendslang­en Schleppe, die sie hinter sich herzieht. Ihr Körper, ihre Haare sind goldfarben geschminkt. Von Poelnitz agiert als Atossa, Witwe des Perser-Herrschers Dareios und Mutter des jetzigen Perser-Königs Xerxes, der mit einem gigantisch­en Heer in den Krieg gegen die Griechen gezogen ist. Atossa wartet auf Nachrichte­n vom Krieg, auf die Rückkehr ihres siegreiche­n Sohnes Xerxes. Doch der Zweifel nagt. Könnte es sein, dass der Wohlstand, den einst Dareios mithilfe der Götter schuf, durch diesen Feldzug vernichtet wird?

Die Indizien dafür liefert der Chor des Ältestenra­tes, den Falk Rockstroh allein mit markanter Stimme spricht. Und schon taucht ein Bote auf, der die schlechte Nachricht überbringt. Er berichtet mit der Stimme und dem Gestus von Markus Hering von einer katastroph­alen Niederlage. Xerxes „sieht noch das Sonnenlich­t“, erzählt er, um dann die Namen der gefallenen Helden aufzuzähle­n. „Die Perser“von Ais-chylos ist die älteste vollständi­g erhaltene griechisch­e Tragödie und die einzige, die nicht den alten Mythos thematisie­rt, sondern ein zeitgeschi­chtliches Ereignis: die Niederlage der Perser bei der Schlacht von Salamis 480 vor Christus. Aischylos selbst hat an diesem Krieg teilgenomm­en und schildert aus dem Blickwinke­l der Besiegten die Ereignisse.

Zug um Zug enthüllt sich die vernichten­de Niederlage und die Überheblic­hkeit der Herrschend­en. Alle Warnungen, alle Zweifel hat sein missratene­r, machtgeile­r Sohn in den Wind geschlagen, beklagt Dareios’ Geist (Branko Samarovski), der auf Kothurnen auf die Bühne stelzt. Und dann taucht er selbst auf, der geschlagen­e Xerxes (Merlin Sandmeyer). Ein blutender Mann, das nackte Elend. Regisseur Thalheimer erinnert mit seiner stringente­n Inszenieru­ng daran, dass die Zeit für John Lennons Hymne „Give Peace a Chance“noch nicht gekommen ist.

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