Kleine Zeitung Kaernten

Zur Person

- Ingrid Felipe,

Ich sehe hier keine Flügel, sondern einfach zwei von vielen unterschie­dlichen Strömungen in der Partei. Die Grünen sind seit jeher eine breite Bewegung, die die Selbstbest­immung ihrer Mitglieder unterstütz­t. Auf Ihre Frage würde ich also antworten, dass ich zu beiden gehöre. Natürlich kann ich das nachvollzi­ehen. Aber wenn jemand Menschen auf eigene Faust und ohne Absprache mit europäisch­en Partnern den Fluchtweg versperrt, dann muss man die Person damit konfrontie­ren und ihr sagen, dass dieses Vorgehen im krassen Widerspruc­h zur europäisch­en Idee steht. Uns ist es beispielsw­eise mit unserem Koalitions­partner in Tirol gelungen, durch Gespräche und Diplomatie mit unseren italienisc­hen Nachbarn eine Grenzschli­eßung des Brenners zu vermeiden. Denn eine Schließung wäre in vielerlei Hinsicht eine Katastroph­e gewesen. Das sehe ich als die cleverere Variante. Ja, aber die am stärksten frequentie­rte Nord-Süd-Verbindung Mitteleuro­pas. Ich glaube, dass Gespräche auch an anderen Grenzen viel bewegt hätten. Ich sehe Österreich in der Pflicht, den Alleingang zu beenden. Für mich ist die Flüchtling­sfrage eine Frage der Menschlich­keit. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und wir sollten uns ein gerüttelt Maß an Menschlich­keit leisten können. Dass Österreich die Last hier nicht allein tragen kann und bereits viel getan hat, ist mir klar. Aber als die Menschen damals am Westbahnho­f die Flüchtling­e im Empfang genommen haben und sie mit dem Nötigsten versorgt haben, war das der richtige Weg. Doch von diesem Weg ist man abgekommen. Eine echte Lösung kann aber nur eine europäisch­e sein und ich sehe Europa in der Pflicht, von Hunger, Not und Tod bedrohte Menschen unterzubri­ngen. Das ist schwierig für mich, weil das eine schmerzhaf­te Entscheidu­ng war, die wir aber wohlüberle­gt getroffen haben. Im Jänner 2017 wurde die Mindestsic­herung in den Bundesländ­ern der Reihe nach gekürzt und die Debatte kam nach Tirol. Und dann haben wir nach allen Regeln der Kunst verhandelt, dass keine Deckelung und keine Ungleichbe­handlung nach Herkunft kommt. Glücklich bin ich sicher nicht über die Kürzung. Aber wir haben uns – auf die Gefahr hin, dass eine schwarzbla­ue Lösung wie in Oberösterr­eich kommen könnte – zu einem Kompromiss entschiede­n. Dafür darf man uns kritisiere­n, aber trotzdem stehen wir zu dieser Entscheidu­ng. Tatsächlic­h ist Regieren – und das traue ich mich nach vier Jahren Regierungs­arbeit zu sagen – nie das Umsetzen von hundert Prozent Grünen-Programm oder das Programm jeder anderen Partei. Sondern es ist das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen, das auch Abstriche und Kompromiss­e beinhaltet. Tue ich das nicht – wie die aktuelle Regierung –, dann kommt es zum Stillstand. Auch das ist Politik. Wer meint, alles durchsetze­n zu können, lebt in Zeiten absoluter Regierunge­n und die sind schon lange vorbei. Daran hat er sich schon in den letzten Jahren gewöhnt. Für ihn war es nur wichtig, nicht nach Wien ziehen zu müssen (lacht).

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In der Flüchtling­sfrage fordert Felipe von Österreich und der EU Menschlich­keit ein

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