Zur Person
Ich sehe hier keine Flügel, sondern einfach zwei von vielen unterschiedlichen Strömungen in der Partei. Die Grünen sind seit jeher eine breite Bewegung, die die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder unterstützt. Auf Ihre Frage würde ich also antworten, dass ich zu beiden gehöre. Natürlich kann ich das nachvollziehen. Aber wenn jemand Menschen auf eigene Faust und ohne Absprache mit europäischen Partnern den Fluchtweg versperrt, dann muss man die Person damit konfrontieren und ihr sagen, dass dieses Vorgehen im krassen Widerspruch zur europäischen Idee steht. Uns ist es beispielsweise mit unserem Koalitionspartner in Tirol gelungen, durch Gespräche und Diplomatie mit unseren italienischen Nachbarn eine Grenzschließung des Brenners zu vermeiden. Denn eine Schließung wäre in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe gewesen. Das sehe ich als die cleverere Variante. Ja, aber die am stärksten frequentierte Nord-Süd-Verbindung Mitteleuropas. Ich glaube, dass Gespräche auch an anderen Grenzen viel bewegt hätten. Ich sehe Österreich in der Pflicht, den Alleingang zu beenden. Für mich ist die Flüchtlingsfrage eine Frage der Menschlichkeit. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und wir sollten uns ein gerüttelt Maß an Menschlichkeit leisten können. Dass Österreich die Last hier nicht allein tragen kann und bereits viel getan hat, ist mir klar. Aber als die Menschen damals am Westbahnhof die Flüchtlinge im Empfang genommen haben und sie mit dem Nötigsten versorgt haben, war das der richtige Weg. Doch von diesem Weg ist man abgekommen. Eine echte Lösung kann aber nur eine europäische sein und ich sehe Europa in der Pflicht, von Hunger, Not und Tod bedrohte Menschen unterzubringen. Das ist schwierig für mich, weil das eine schmerzhafte Entscheidung war, die wir aber wohlüberlegt getroffen haben. Im Jänner 2017 wurde die Mindestsicherung in den Bundesländern der Reihe nach gekürzt und die Debatte kam nach Tirol. Und dann haben wir nach allen Regeln der Kunst verhandelt, dass keine Deckelung und keine Ungleichbehandlung nach Herkunft kommt. Glücklich bin ich sicher nicht über die Kürzung. Aber wir haben uns – auf die Gefahr hin, dass eine schwarzblaue Lösung wie in Oberösterreich kommen könnte – zu einem Kompromiss entschieden. Dafür darf man uns kritisieren, aber trotzdem stehen wir zu dieser Entscheidung. Tatsächlich ist Regieren – und das traue ich mich nach vier Jahren Regierungsarbeit zu sagen – nie das Umsetzen von hundert Prozent Grünen-Programm oder das Programm jeder anderen Partei. Sondern es ist das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen, das auch Abstriche und Kompromisse beinhaltet. Tue ich das nicht – wie die aktuelle Regierung –, dann kommt es zum Stillstand. Auch das ist Politik. Wer meint, alles durchsetzen zu können, lebt in Zeiten absoluter Regierungen und die sind schon lange vorbei. Daran hat er sich schon in den letzten Jahren gewöhnt. Für ihn war es nur wichtig, nicht nach Wien ziehen zu müssen (lacht).