Die Palme ist heuer fest in Frauenhand
Im Jubiläumsjahr des traditionell männerdominierten Festivals mischen die Frauen den Wettbewerb auf
Die Arbeit der Britin Lynne Ramsay („You Were Never Really Here“) wird zwar erst morgen als letzter der 19 Filme im Rennen um die Goldene Palme gezeigt, doch ihre Regie-Kolleginnen Naomi Kawase aus Japan und Sofia Coppola aus den USA fanden mit ihren neuen Werken an der Croisette mehr als herzliche Resonanz. Kawases behutsame, berührend schön gefilmte Liebesparabel „Hikari“(„Leuchten“) wird von manchen gar als Geniestreich gefeiert, da sie mit ihrem reflexiven Essay über die Wahrnehmung und das Sehen in den Kern ihres Metiers vordringt. Die Protagonisten: eine junge Frau, die Hörbeschreibungen von Filmen für sehbehinderte Menschen macht, und ein erblindender Fotograf.
Bei Coppola geht die Reise zurück in den Sezessionskrieg (1861-1865): Die Promi-Tochter wagte sich mit „The Beguiled – Die Verführten“an ein Remake von „Betrogen“(1971) mit Clint Eastwood. Sie wollte aus weiblicher Sicht die Dynamik in einem Mädchenpensionat zu jener Zeit schildern, wo das geheime Beherbergen eines schwer verwundeten feindlichen Soldaten Begeh- ren und Eifersucht hervorruft. Es entsteht eine tödliche Eigendynamik, bei der es keine Sieger gibt. Schön, wie ein ganz junges Ensemble neben Colin Farrell, Nicole Kidman und Kirsten Dunst mehr als bestehen kann. Der smarte Ire Farrell (40) scherzte sich durch die Pressetermine: „Ich hatte keine Angst vor dem Dreh, weil ich dort der einzige Mann im Hauptcast war. Von zu Hause bin ich durch meine Mutter und meine zwei Schwestern starke Frauen gewohnt!“Kidman (49) nutzte wiederum die Pressekonferenz, um ihren Wunsch nach mehr Filmemacherinnen elegant, aber laut zu artikulieren.
Immerhin als Farbfleck im Hauptwettbewerb entpuppte sich „A gentle Creature“des Ukrainers Sergei Loznitsa, auch wegen des Buh-Konzerts nach der Vorführung der kafkaesken Freak Show über den Horrortrip einer jungen Frau, die ihren Mann im sibirischen Gefängnis besuchen will. Ausschließen für einen Preis kann man hingegen das Biopic „Rodin“des Franzosen Jacques Doillon (73), weil er uns nichts Neues über den großen Bildhauer (1840-1917) erzählt.