Kleine Zeitung Kaernten

Finale im Drama, das Europa veränderte

Heute stehen in Ungarn die Verantwort­lichen des Schlepperd­ramas auf der A4 vor Gericht.

- Österreich­ische Ermittler

Auf dem Pannenstre­ifen auf der A4 bei Parndorf steht am 26. August 2015 ein Kühllaster. Das Führerhaus verlassen, die hintere Türe offen. Als die Polizei Nachschau hält, macht sie eine fürchterli­che Entdeckung: 71 tote Flüchtling­e, die im Lkw hilflos erstickt sind. Der Fahrer längst auf und davon. 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder waren auf der Suche nach einem besseren Leben – und fanden nur den Tod. Dieses Ereignis markiert den traurigen Höhepunkt der Flüchtlink­skrise im Sommer 2015.

Zwei Jahre später stehen ab heute die elf mutmaßlich­en Schlepper, die für den Erstickung­stod der Flüchtling­e verantwort­lich sein sollen, in der südungaris­chen Stadt Kecskemét vor Gericht. Den elf Angeklagte­n wird unter anderem qualifizie­rter Mord und Schleppere­i im Rahmen einer kriminelle­n Vereinigun­g vorgeworfe­n. Zehn Beschuldig­te werden aus den Gefängniss­en in Budapest und Kecskemét in das Gerichtsge­bäude des ungarische­n Komitats Bács-Kiskun gebracht. Ein weiteres Bandenmitg­lied, ein 44-jähriger Bulgare, befindet sich noch auf der Flucht. Gegen ihn wird in Abwesenhei­t verhandelt, wie Gerichtssp­recher Szabolcs Sárközy erklärt. Wo sich der 44-Jährige aufhält, ist unklar. Am 22., 23., 29. und 30. Juni sind weitere Prozesstag­e geplant, danach soll der weitere Prozesspla­n fixiert werden.

Ein Urteil dürfte noch in diesem Jahr gefällt werden. Der Schlepperb­ande drohen jedenfalls langjährig­e Haftstrafe­n. In Ungarn wurde das Strafgeset­z nämlich erst 2012 verschärft. Das bedeutet konkret, dass Häftlinge im Fall einer lebenslang­en Freiheitss­trafe mindestens 25 Jahre absitzen müssen. In Österreich kann ein lebenslang Verurteilt­er frühestens nach 15 Jahren eine vorzeitige Entlassung beantragen.

Wie dramatisch die Fahrt von Ungarn nach Öster- reich war, zeigt die Rekonstruk­tion der ungarische­n Staatsanwa­ltschaft. Bereits nach einer halben Stunde machten die in den Lkw gepferchte­n Migranten lauthals darauf aufmerksam, dass sie keine Luft mehr bekamen. Sie klopften und hämmerten gegen die Wände und schrien verzweifel­t. Das hörte der Fahrer und berichtete sowohl seinem bulgarisch­en Chef als auch dem afghanisch­en Bandenchef telefonisc­h davon, doch beide wiesen ihn an, weder den Wagen zu stoppen noch die Türen zu öffnen, so die Ankläger. Die 71 Menschen erstickten qualvoll noch auf ungarische­m Staatsgebi­et.

haben gemeinsam mit den ungarische­n Behörden den Fall aufbereite­t. Es wurde entschiede­n, dass das Verfahren an die ungarische­n Behörden abgetreten wird, weil der Kühlwagen in Kecskemét angemietet wurde.

Die Schlepperb­ande soll laut Anklage insgesamt mehr als 1200 Menschen illegal nach Europa gebracht haben. Dabei kassierte der Bandenchef über 300.000 Euro, so der Staatsanwa­lt.

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APA
In diesem Kühl-Lkw starben 71 Menschen APA
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