Der Mann mit den zwei Seelen
Christoph Strasser (34) siegt heute beim Race Across America.
W enn alles nach Plan gelaufen ist, stieg Christoph Strasser heute zwischen sechs und acht Uhr früh mitteleuropäischer Zeit in Annapolis im Bundesstaat Maryland vom Rad. Als Held, als nunmehr viermaliger Sieger des Race Across America (RAAM). Dann hat er in acht Tagen 4952 Kilometer quer durch den Kontinent abgespult. Bis zuletzt mit vollem Einsatz bei minimalen Pausen, obwohl die Konkurrenz schon lange distanziert war. Nur rund zehn Stunden Ruhe gönnte er sich – im Bewusstsein, bis zur Ziellinie wirklich alles gegeben zu haben.
Es ist ein Sieg des Körpers, aber auch – oder erst recht – einer des Geistes. Und genauso, wie diese zwei Faktoren passen müssen, schlummern zwei Seelen in der Brust des 34-jährigen Steirers. Die eine ist die des RAAM-Siegers: braver Trainierer, enthaltsamer Sportler und korrekter Geschäftsmann, der mit Vorträgen und einem OnlineFachhandel seinen Lebensunterhalt bestreitet. „Gemma schöpf ’n“, pflegte der Pedant zu sagen, wenn er sich nach den sporadischen Pausen wieder aufs Rad schwang. Dabei ist klar: „Es ist viel mehr als nur Arbeit. Du musst es lieben“, erklärte er in einem Anstieg rund 430 Kilometer vor dem Ziel.
Die andere Seele ist die des privaten Christoph Strasser, Besitzer eines rostigen Stadtrads, der nichts auf teure Autos oder Mode gibt, aber gerne Rasen mäht. Jener Strasser, der altvaterische Ausdrücke verwendet, mit der Freundin auf der Couch Chips isst, MineralZitron trinkt, Coldplay hört. Vielleicht ist es Strassers größte Stärke, immer zu wissen, welche Seele gerade nötig ist, um ans Ziel zu kommen. Die fürs „Schöpf ’n“oder die für die Gaude.