Kleine Zeitung Kaernten

Das Land vergisst seine Berufung

- Karl Schwarzenb­erg Karl Schwarzenb­erg

E s ist nun mehr als ein Vierteljah­rtausend her, dass die berühmte Schrift „Österreich über alles, wann es nur will“erschienen ist. Dieses Dokument hat jetzt wieder eine wirklich unerwartet­e Aktualität. Während es vor Jahrhunder­ten mehr um die Frage ging, ob Österreich seine Interessen und Vorstellun­gen energisch durchbring­t, so ist es heute absolut unklar, was Österreich eigentlich will. Ich gebe nur ein paar Beispiele: Der wirtschaft­liche Aufstieg dank der EU ist unfassbar. Man muss zum Beispiel nur das Burgenland ansehen, wie es vor 30 Jahren ausgesehen hat und wie es heute aussieht.

Unzählige andere Infrastruk­turmaßnahm­en wurden nur durch Mithilfe der EU realisiert. Anstatt dass die Österreich­er begeistert­e Vorkämpfer wären, Initiative­n ergriffen und zeigten, wie sehr sie diese Mitgliedsc­haften schätzen, raunzen sie und beklagen sich über die EU. Man braucht nur in ein beliebiges Wiener Beisl zu gehen, und schon hört man das Klagen. Österreich ist ein klassische­s mitteleuro­päisches Land, benachbart nicht nur mit Deutschlan­d, Italien, Liechtenst­ein, der Schweiz, sondern auch mit Slowenien, Ungarn, der Slowakei, der Tschechisc­hen Republik. Auch da würde man erwarten, dass Österreich in seinem Wohlstand und seiner europapoli­tischen Erfahrung eine besondere Rolle spielen würde. Nicht im Geringsten – Österreich scheint der Illusion zu erliegen, dass es noch immer Vorderöste­rreich ist. Die Nachbarn wären Deutschlan­d, die Schweiz und das Elsass, was aber weit entfernt ist, sind die anderen Staaten. Österreich betont auch immer, wie sehr es zu Westeuropa gehört. Wie immer, wenn jemand etwas zu sehr betont, entspricht es nur selten den Tatsachen.

Das Land vergisst seine Berufung, welche es durch Jahrhunder­te gehabt hat. Z u Recht ruft Österreich nach einer effektiven Verteidigu­ng der Grenzen der EU, nur seine eigene Armee hat es durch Jahrzehnte vernachläs­sigt und am Existenzmi­nimum gehalten. Wie kann man von anderen eine Leistung verlangen, die man selbst unterlasse­n hat?

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