Kleine Zeitung Kaernten

Mare nostrum

Kanzler und Außenminis­ter liefern einander alle Tage wieder dasselbe Gefecht. Wer ist der Seriösere im Umgang mit dem leidigen Migrations­thema? Dabei sind sie sich einig.

- Thomas Götz

Die Römer nannten das Mittelmeer schlicht unser Meer – mare nostrum. Wir, die nachgebore­nen Europäer, wären es lieber wieder los. Von Monat zu Monat kommen mehr Menschen in klapprigen Booten übers Wasser zu uns, viele ertrinken elend, bevor sie das rettende Ufer erreichen können. Es ist ein in jeder Hinsicht unhaltbare­r Zustand, darüber sind sich Bundeskanz­ler und Außenminis­ter einig. Vor dem EuropaAuss­chuss des Nationalra­ts klang das am Mittwoch wieder durch. „Unser gemeinsame­s Ziel“nannte Kern die Bemühungen um die Schließung der Mittelmeer­route.

Einig sind die beiden Männer darüber, was nicht geht. Europa kann nicht dabei zusehen, wie allmonatli­ch Tausende Menschen über die ungeschütz­te Südgrenze kommen und dann mehr oder weniger ungehinder­t über offene Grenzen nach Norden wandern. Europa kann auch nicht dabei zuschauen, wie Tausende Menschen vor unseren Küsten untergehen.

Unterschie­dlich sind vor allem die taktischen Interessen der beiden Politiker, die um die Kanzlersch­aft rittern. Seit Tagen wehrt sich Christian Kern dagegen, diese mühsam erreichte gemeinsame Position immer wiederhole­n zu müssen. Viele in seiner Partei folgen ihm nur widerwilli­g bis zu diesem Punkt, manche gar nicht mehr. Die Grünen warten schon auf sie. Das ist riskant für den Verteidige­r der Polepositi­on, der sich einen solchen Exodus nicht leisten kann. Umso lustvoller betont Kurz immer wieder, was er schon immer gesagt hat und was seine Anhänger hören wollen. Je weniger es die Parteigäng­er seines Gegenspiel­ers hören wollen, umso besser.

Migration ist seit Jahren das Terrain des Außenminis­ters. Kurz hat es besetzt, lange bevor Kern überhaupt in die Politik gegangen ist. Nun sitzt der Herausford­erer dort, wie der Igel aus dem klugen Märchen der Brüder Grimm, und wartet, bis der Hase mit heraushäng­ender Zunge sich auch bis zu seiner Position durchgekäm­pft hat. Kaum ist er da, sitzt der Igel schon wieder bei der nächsten Wegbiegung.

Das Rennen kann Kern weder gewinnen noch ausschlage­n. Kurz weiß, dass Zuwanderun­g vermutlich das zentrale Thema dieser Wahl sein wird. Er hat seine Position früh abgesicher­t und kann auf Erfolge verweisen. Die Schließung der Balkanrout­e ist das Pfund, mit dem er wuchert. Das kann ihm niemand verargen, wenngleich das Thema eigentlich zu wichtig ist, um daraus Kleingeld für den Wahlkampf zu prägen. Zugleich ist der stereotype Verweis Kerns auf die Komplizier­theit der Frage kein Argument gegen die schlichte Feststellu­ng, dass die Dinge nicht bleiben können, wie sie sind. Beides sind Vereinfach­ungen und der Sache nicht angemessen. s ist Wahlkampf, ein Ende dieser Hahnenkämp­fe daher nicht zu erwarten. Vielleicht weckt er das Bewusstsei­n, dass das Mittelmeer zu Europa gehört und Wegschauen keine Lösung ist. Eine zu finden, geht alle an, nicht nur vor der Wahl.

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