Vorhang auf für „Mercron“
Als neues politisches Traumpaar „Mercron“sollen Emmanuel Macron und Angela Merkel Europa wieder auf Touren bringen.
Es gehört zu den Ritualen bei EU-Gipfeln, dass sich die Teilnehmer nach dem Ende der Beratungen noch einmal medienwirksam in Szene setzen. Die Staatslenker berichten dann vor Kameras, was beschlossen wurde und was sie selbst für ihr Land herausgeholt haben. Jeder tut das einzeln und am liebsten vor der heimischen Presse, stets mit Blick auf das Publikum zu Hause. Setzt man das alles zu einem großen Bild zusammen, gibt es nach solchen Veranstaltungen eigentlich immer 28 Sieger in Europa.
So gesehen war es am Freitag in Brüssel eine außergewöhnliche Geste der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und des neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. Die beiden traten gemeinsam auf und bekräftigten ihre Absicht, dem europäischen Projekt mit neuen Initiativen neuen Schwung zu verleihen.
„Wenn Frankreich und Deutschland sich nicht einig sind, kommt Europa nicht voran“, sagte Macron. Merkel erklärte nüchtern, man sei entschlossen, „zur Lösung von Problemen beizutragen“. Auch in der Vergangenheit hatte es in Brüssel schon gemeinsame Auftritte deutscher Kanzler und französischer Präsidenten gegeben, aber Macron ist erst kurz Amt. Der Vertrauensvorschuss ist enorm. Die Erwartungen sind es aber auch.
Es gibt keinen Zweifel: Deutschland und Frankreich wollen wieder gemeinsam die Führung in Europa übernehmen. Jahrelang war Merkel die unangefochtene Nummer eins, was aber nicht allein mit ihrer Stärke, sondern auch mit der Schwäche von Macrons Vorgängern Nicolas Sarkozy und François Hollande zusammenhängt. Nur in der heißen Phase der Eurokrise bildeten Merkel und Sarkozy ein starkes Team, damals erfand man den Namen „Merkozy“dafür. Nun macht sich das neue Duo „Mercron“daran, Europa wieder auf Touren zu bringen. Zu tun gibt es genug.
Die Eurozone muss weiter stabilisiert werden, Berlin und Paris arbeiten bereits an gemeinsamen Vorschlägen. Das verstörende Wirken von USPräsident Donald Trump hat in Europa zur Einsicht geführt, dass sich der alte Kontinent unabhängiger von den Amerikanern machen muss. Deshalb arbeitet die EU jetzt an einer Verteidigungsunion. Auch hier verstehen sich Deutschland und Frankreich als Vorreiter. Es geht zudem darum, die Flüchtlingskrise zu managen, den Terrorismus zu bekämpfen sowie den Freihandel und das Pariser Klima-Abkommen zu retten. Kurzum, es geht um Europas Selbst- behauptung und Sicherheit in Zeiten von Trump und Brexit. Eine Überschrift für all das gibt es auch schon. Sie lautet: Ein Europa, das schützt. Es ist der positive Gegenentwurf zu Euroskepsis und Globalisierungskritik von links und rechts.
mit diesem bejahenden Politikentwurf gerade zwei Wahlen fulminant gewonnen. Merkel eifert ihm nach. Drei Monate vor der Bundestagswahl ist sie nicht nur Umfragenkönigin, sondern auch wieder Europakanzlerin. Ihrem SPDHerausforderer Martin Schulz gelingt es selbst in diesem Feld nicht, eigene Akzente zu setzen. Just Schulz, der als EU-Parlamentspräsident und sozialdeim mokratischer Fraktionschef über Jahre einer der einflussreichsten Köpfe in Brüssel war.
In Paris stellen sie sich bereits darauf ein, auch in den nächsten Jahren mit Merkel zusammenzuarbeiten. Mitte Juli kommen die Regierungen beider Länder zusammen, neue Projekte werden festgezurrt. Davor gibt es den G20-Gipfel in Hamburg. Auch dort werden Merkel und Macron darauf bedacht sein, mit einer Stimme zu sprechen.
Macron hat deutlich gemacht, dass er gemeinsam mit den Deutschen hoch hinauswill. Und er hat klare Vorstellungen über seine Zusammenarbeit mit Merkel. „Ich wünsche mir, wir würden zum Geist der Kooperation zurückkehren, wie er
einst zwischen François Mitterrand und Helmut Kohl herrschte“, sagte er dieser Tage.
Emmanuel Macron verleiht dem europäischen Projekt neuen Glanz, und ein Teil davon strahlt auf Angela Merkel ab. Es wird interessant sein zu sehen, wie lange das anhält. Macron steht bei den Europäern im Wort, sein Land zu reformieren. In den kommenden Wochen will er mit dem Arbeitsmarkt beginnen. Er muss dabei mit heftigem Widerstand der Straße rechnen. Im Oktober findet der nächste EU-Gipfel statt. Es wird interessant sein zu sehen, wie viel Glanz sich Macron bis dahin bewahren kann. Die Bundestagswahlen aber werden dann auf jeden Fall vorüber sein.