Der Regress ist ab heute Geschichte
Mit dem Argument, es gehe um 40.000 Familien, die „alles verlieren“, wenn Angehörige zu Pflegefällen werden, ging die SPÖ in die Offensive. Die ÖVP verhandelte nur noch über die Finanzierung.
Das Aus für den Kostenrückersatz in der Pflege zeichnete sich bereits gestern Mittag ab: Bundeskanzler Christian Kern war nach dem Ministerrat in die Offensive gegangen: „Wir werden die Abschaffung des Regresses beschließen. Ob mit oder ohne ÖVP.“
Möglich gemacht hatte dies der Umstand, dass die SPÖ in dieser Frage eine Mehrheit gegen die ÖVP zusammenbringt, weil nicht nur Grüne und Neos, sondern auch die Freiheitlichen mitspielen. Am Nachmittag hieß es aus Kreisen der ÖVP: „Der Regress wird abgeschafft. Aber wir verhandeln noch über das Finanzierungsmodell.“
Verhandelt wurde bis in die gestrigen Abendstunden, aber die Gesprächsatmosphäre zwischen SPÖ und ÖVP ist nach dem gestrigen Eklat (siehe Seiten zuvor) empfindlich gestört. Für den Fall, dass es zu keiner gütlichen Einigung zwischen Regierungsparteien kommt, hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz allerdings einen Plan B in der Hinterhand: Man habe ein Einsparungsmodell in der Tasche, das man ohne Beschluss im Parlament umsetzen könne, deutete sein Umfeld an. Details gibt es erst heute.
Das Ende des Kostenrückersatzes für Angehörige der pflegebedürftigen Person – dieser Regress ist länderweise unterschiedlich geregelt – kostet laut ÖVP-Berechnungen 150 bis 200 Millionen Euro. Durch die Eindämmung der missbräuchlichen Nutzung von E-Cards – Kurz will diese Karten mit Fotos ausstatten, sodass die Inhaber leichter identifiziert werden können – ließen sich bis zu 200 Millionen Euro einsparen.
Die SPÖ bezweifelt diese Rechnung der Höhe nach. Aus dem Umfeld des Kanzlers hieß es jedoch, man verschließe sich nicht grundsätzlich der Einführung von Fotos auf E-Cards. Was jedoch keinesfalls infrage komme, seien Einsparungen im Bereich der Pflegeheime selbst, wie sie von der ÖVP auch vorgeschlagen wurden.
Eine andere Möglichkeit, sich inhaltlich zu treffen, wäre der ÖVP-Wunsch, die Heime direkt mit Medikamenten zu beliefern und damit die Spanne der Zwischenhändler im Arzneimittelgeschäft zu reduzieren.
Für die Österreicher bedeutet der heutige Beschluss jedenfalls einmal, dass sie keine Angst mehr vor Kostenrückersätzen haben müssen. Bisher griff die Behörde auf Sparbücher zu und ging mit ihren Ansprüchen in die Grundbücher.
Befürchtet wird umgekehrt, dass die Befreiung von der Regresspflicht die Nachfrage nach Heimplätzen ankurbeln und damit die Kosten insgesamt erhöhen könnte.
Ein zweites Thema, das heute am Tapet ist, ist die Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen. Die SPÖ kündigte einen Antrag für die „Homo-Ehe“an, wobei es sich dabei nur um einen symden bolischen Akt handelt: Eine Mehrheit jenseits von FPÖ und ÖVP ist nicht gegeben. Es wird damit gerechnet, dass die SPÖ einen Fristsetzungsantrag einbringt, um der Sache symbolisch Auftrieb zu geben. Zuletzt hatten die Grünen die ÖVP damit aufgezogen, dass nun sogar die deutsche Kanzlerin ihren Widerstand gegen die HomoEhe aufgegeben habe.