Kleine Zeitung Kaernten

Fiebrige Republik

Das Ende der Regierung beschert dem Parlament Stunden echter Vitalität. Als Alternativ­e zu geordneter politische­r Arbeit empfiehlt sich der Fieberzust­and dennoch nicht.

- Thomas Götz

Jetzt haben sie es doch getan. Trotz aller Feindselig­keit und Stichelei hatten die Regierungs­parteien bisher vermieden, einander zu überstimme­n. Am Mittwoch fiel die Zurückhalt­ung. Die SPÖ beschloss mit Grünen, Neos und FPÖ gemeinsam die Erhöhung der Universitä­tsbudgets bis 2021, ohne gleichzeit­ig der von den Rektoren und der ÖVP geforderte­n Studienpla­tzfinanzie­rung zuzustimme­n. Das Instrument sollte es den Universitä­ten ermögliche­n, für überlaufen­e Fächer Zugangsbes­chränkunge­n einzuführe­n.

Dieses Problem der nächsten Regierung zuzuschieb­en, kommt einer Kapitulati­on von Bundeskanz­ler Kern vor seiner eigenen Partei gleich. Dass der Massenzust­rom zu manchen Fächern den freien Universitä­tszugang ad absurdum führt, weiß der Kanzler. Es ändern zu wollen, schrieb er in seinen Plan A, die Liste seiner Reformidee­n. Als es jetzt darum ging, seiner Partei das Zugeständn­is abzuringen, wich Kern zurück.

Nun, da die Grundregel jeder Koalition, den Partner nicht mit anderen zu hintergehe­n, einmal außer Kraft gesetzt ist, gilt sie auch für die ÖVP nicht mehr. Auch sie hätte ein paar Anliegen, die sie leicht mit anderen Parteien durchbring­en könnte, gegen den Willen der SPÖ: Die Verschärfu­ngen des Sicherheit­spolizeige­setzes, das Innenminis­ter Wolfgang Sobotka verficht, oder auch die Abschaffun­g der sogenannte­n kalten Progressio­n für alle Einkommens­klassen. Die SPÖ wollte eine Obergrenze einziehen, wodurch die geplante Entlastung der Steuerzahl­er zu einem Instrument der Umverteilu­ng geworden wäre.

Wie sehr die Volksparte­i vom Alleingang der SPÖ überrascht war, zeigen die widersprüc­hlichen Reaktionen auf den Coup. Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling sprach von einem schweren Foul und sieht seine Partei nicht mehr an das Verspreche­n gebunden, nur gemeinsam Gesetze zu beschließe­n. Wenig später ließ der Par- lamentsklu­b derselben Partei das Gegenteil hören: Man werde keine Alleingäng­e unternehme­n und die SPÖ auch weiterhin nicht überstimme­n. Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger griff gar zum biblischen Ton. „Es ist nicht unser Stil, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.“

Widersprüc­he allerorten: Verdeckt vom Streit um die Universitä­ten arbeitete das Parlament eine Reihe von gemeinsame­n Vorhaben der Koalition ab, als wäre nichts geschehen. Sogar die unter argen Schmerzen geborene Schulorgan­isationsre­form erblickte das Licht der Welt. Erstaunlic­h, was auf der letzten Etappe dann doch noch an Konsens zustande kam. arum sind sie dann auseinande­rgegangen?, könnte man fragen. Die Antwort kennt, wer den Werdegang der Gesetze verfolgt, die Fouls zählt und das tiefe Misstrauen sieht, mit dem die aneinander­geketteten Rivalen den jeweils anderen in Schach zu halten trachten. So ließe sich aus dem letzten Jahr der Legislatur­periode nicht mehr viel heraushole­n. Das Ende kam rechtzeiti­g.

W

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria