Fiebrige Republik
Das Ende der Regierung beschert dem Parlament Stunden echter Vitalität. Als Alternative zu geordneter politischer Arbeit empfiehlt sich der Fieberzustand dennoch nicht.
Jetzt haben sie es doch getan. Trotz aller Feindseligkeit und Stichelei hatten die Regierungsparteien bisher vermieden, einander zu überstimmen. Am Mittwoch fiel die Zurückhaltung. Die SPÖ beschloss mit Grünen, Neos und FPÖ gemeinsam die Erhöhung der Universitätsbudgets bis 2021, ohne gleichzeitig der von den Rektoren und der ÖVP geforderten Studienplatzfinanzierung zuzustimmen. Das Instrument sollte es den Universitäten ermöglichen, für überlaufene Fächer Zugangsbeschränkungen einzuführen.
Dieses Problem der nächsten Regierung zuzuschieben, kommt einer Kapitulation von Bundeskanzler Kern vor seiner eigenen Partei gleich. Dass der Massenzustrom zu manchen Fächern den freien Universitätszugang ad absurdum führt, weiß der Kanzler. Es ändern zu wollen, schrieb er in seinen Plan A, die Liste seiner Reformideen. Als es jetzt darum ging, seiner Partei das Zugeständnis abzuringen, wich Kern zurück.
Nun, da die Grundregel jeder Koalition, den Partner nicht mit anderen zu hintergehen, einmal außer Kraft gesetzt ist, gilt sie auch für die ÖVP nicht mehr. Auch sie hätte ein paar Anliegen, die sie leicht mit anderen Parteien durchbringen könnte, gegen den Willen der SPÖ: Die Verschärfungen des Sicherheitspolizeigesetzes, das Innenminister Wolfgang Sobotka verficht, oder auch die Abschaffung der sogenannten kalten Progression für alle Einkommensklassen. Die SPÖ wollte eine Obergrenze einziehen, wodurch die geplante Entlastung der Steuerzahler zu einem Instrument der Umverteilung geworden wäre.
Wie sehr die Volkspartei vom Alleingang der SPÖ überrascht war, zeigen die widersprüchlichen Reaktionen auf den Coup. Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach von einem schweren Foul und sieht seine Partei nicht mehr an das Versprechen gebunden, nur gemeinsam Gesetze zu beschließen. Wenig später ließ der Par- lamentsklub derselben Partei das Gegenteil hören: Man werde keine Alleingänge unternehmen und die SPÖ auch weiterhin nicht überstimmen. Generalsekretärin Elisabeth Köstinger griff gar zum biblischen Ton. „Es ist nicht unser Stil, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.“
Widersprüche allerorten: Verdeckt vom Streit um die Universitäten arbeitete das Parlament eine Reihe von gemeinsamen Vorhaben der Koalition ab, als wäre nichts geschehen. Sogar die unter argen Schmerzen geborene Schulorganisationsreform erblickte das Licht der Welt. Erstaunlich, was auf der letzten Etappe dann doch noch an Konsens zustande kam. arum sind sie dann auseinandergegangen?, könnte man fragen. Die Antwort kennt, wer den Werdegang der Gesetze verfolgt, die Fouls zählt und das tiefe Misstrauen sieht, mit dem die aneinandergeketteten Rivalen den jeweils anderen in Schach zu halten trachten. So ließe sich aus dem letzten Jahr der Legislaturperiode nicht mehr viel herausholen. Das Ende kam rechtzeitig.
W