Bauer hat Kernöl lieber als Wodka
INTERVIEW. Moritz Bauer könnte bald für Österreich debütieren. Der Legionär von Rubin Kasan spricht über Russland, seine Leidenschaft und seinen WM-Traum.
Sie befinden sich gerade mit Rubin Kasan auf Trainingslager in Österreich. Ist es für Sie als Doppelstaatsbürger der Schweiz und Österreich ein Aufenthalt in der Heimat?
MORITZ BAUER: Eigentlich bin ich zumeist nur wegen des Fußballs in Österreich. Wenn es sich privat zeitlich ausgeht, dann eher in der Region Bodensee, weil mein Vater ein Haus im Allgäu hat und wir dann über Bregenz hinfahren.
Wo haben Sie Ihre rot-weiß-roten Wurzeln genau? Mein Großvater ist aus der Steiermark gekommen. Deshalb habe ich das Kürbiskernöl kennenund lieben gelernt (lacht).
Seit dem Frühjahr stehen Sie im Kader von Teamchef Marcel Koller auf Abruf. Wann haben Sie sich entschieden, trotz vier Nachwuchs-Länderspielen für die Schweiz für Österreich zu spielen? Mein Großvater hat früher immer gemeint, ich muss für Österreich spielen. Im Vorjahr hat ein Kellner im Trainingslager hier gemeint, dass sie mich gut brauchen könnten. Daraufhin hat es super Gespräche mit ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner gegeben. Für mich war entscheidend, dass sich hier alle so sehr für mich einge- setzt haben. Es würde mich freuen, wenn es bald mit einer Einberufung klappt. In der WM-Qualifikation gibt es ja noch alle Chancen.
Die WM 2018 findet in Russland statt. Ausgerechnet in jenem Land, in dem Sie seit dem Vorjahr spielen. Wie gefällt es Ihnen? Am Beginn habe ich gegoogelt, wo Kasan überhaupt liegt. Ich habe mir Plattenbauten, verrostete Autos und eine kalte Landschaft vorgestellt. Aber ich wollte mir persönlich ein Bild machen und habe mir alles angeschaut. Ich war überrascht. Nach 24 Stunden war klar, dass ich bleibe. Das Gesamtpaket mit dem Fünfjahresvertrag, der natürlich lukrativ ist, hat wunderbar gepasst.
Eine Stadt kurz zu besichtigen, ist das eine, aber zwölf Monate in ihr zu leben, das andere. Wie fällt im Rückblick Ihr Fazit aus? Ich hätte es bereut, wenn ich nicht hingegangen wäre. Wettertechnisch gab es neue Erfahrungen. Von minus 30 bis plus 35 Grad war alles dabei. Ansonsten passt hier alles. Von der Mentalität gefällt es mir fast besser als in der Schweiz. Dort ist man sehr oberflächlich und wertend, immer schaut man, was der andere macht. In Russland machen die Leute alles zu-
sammen. Die Herzlichkeit ist überragend. Jeder ist um Hilfe bemüht. Zudem ist das in etwa halb muslimisch und halb christliche Kasan ein Vorbild für friedliches Zusammenleben verschiedener Religionen. Angst brauchst du auch um 3 Uhr früh nirgends haben.
Wie sieht es mit so typischen Klischees aus? Es wird ordentlich Wodka getrunken. Dass sie ihn hier schon zum Frühstück trinken, hat sich bestätigt (lacht). Mein Ding ist das nicht.
Wie kommen Sie mit dem Verkehr zurecht? In Kasan ist es im Gegensatz zu Moskau ruhig. Ich fahre selbst mit dem Auto und fühle mich sehr wohl. Auch das Falschparken sehen die Russen lockerer als in der Schweiz, wo du nach fünf Minuten schon einen Strafzettel bekommst. Ich habe auch ein Fahrrad. Nur im Winter verwende ich das nicht, weil ich auf die Reifen Spikes anbringen müsste.
Derzeit findet als WM-Generalprobe der Confederations Cup in
Russland statt. Sind die Russen schon im WM-Fieber? Es kommt immer mehr auf. Die Bevölkerung spürt, welch Energieaufwand notwendig ist, so ein Turnier zu organisieren. Im Moment ist das vergleichbar mit Siedeln. Sehr viel Umzugsarbeit steht an. Erst wenn man alles ausgepackt hat und eingezogen ist, kann man es richtig genießen. Und die WM 2018 wird ein fantastisches Fußballfest. Die Stadien sind atemberaubend und die Städte, in denen gespielt wird, sind wunderschön.
Kritik macht sich immer wieder um die Politik rund um Präsident Wladimir Putin breit. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Die Mehrheit ist sehr positiv zu sprechen auf ihn. Ich höre mir russische Nachrichten an, verstehe aber nur rund 70 Prozent. Parallel höre ich Nachrichten aus Westeuropa. Spannend waren die Unterschiede in der Berichterstattung zwischen Russland und Westeuropa beim Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Da reflektiert man mehr, welche Meinung Medien bilden können.