Der Eiertanz um die Piste
Der monatelange Streit um die dritte Wiener Flughafenpiste offenbart, wie mangelhaft Österreich auf entscheidende Fragen der Zukunft vorbereitet ist. Das muss sich ändern.
Jetzt ist ja alles wieder gut, das offizielle Österreich kann das kollektive Hyperventilieren einstellen. Die Verfassungsrichter haben gesprochen und den Richterentscheid vom Februar aufgehoben, wonach sich der Wiener Flughafen keine dritte Landepiste genehmigen dürfen sollte. Denn, so urteilten jetzt die Höchstrichter sinngemäß, im vorliegenden Fall genießen Klimaund Bodenschutz rechtlich doch keinen absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen und anderen Interessen.
Sache geklärt, also Schwamm über die Diskussionen der vergangenen Monate? Juristisch kann man das so sehen. Politisch aber hinterlässt die Causa einen schalen Nachgeschmack, der sich auch nach dem Spruch des Höchstgerichts nicht verflüchtigen will. Das liegt in erster Linie an der Art und Weise, wie die Debatte nach dem vorangegangenen Urteil abgelaufen ist. Kaum hatten die Bundesverwaltungsrichter ihren Spruch zum Flughafen öffentlich gemacht, setzte ein politischer Eiertanz ein, der eines entwickelten Rechtsstaats in derartiger Form unwürdig ist.
Erst bekamen die drei verantwortlichen Richter selbst ihr Fett ab. Einem Reigen an persönlichen Angriffen folgte eine anonyme Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen zwei der Juristen. In der Folge fühlten sich mehrere Spitzenpolitiker veranlasst, gleich das ganze System infrage zu stellen und eine teilweise Aushebelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorzuschlagen. Das ging der Bundesregierung dann doch zu weit. Ihr Lösungsansatz: Derartig ungemütliche Urteile sollen künftig mittels Verfassungsänderung im Keim erstickt werden.
Die eigentlich drängenden Fragen sind im Getöse des aufgeregten Disputs untergegangen. Österreichs Regierung hat sich vor eineinhalb Jahren in Paris zu Klimaschutzzielen verpflichtet und trägt das Bekenntnis gern voller Stolz vor sich her – solange daraus keine Kon- sequenzen erwachsen. Geschieht das einmal doch, herrscht überraschte Ratlosigkeit. Denn der wirkliche Knackpunkt, was nämlich die Klimaschutzverpflichtungen in der Praxis mit sich bringen, wird hierzulande konsequent ignoriert. Was bedeuten die ökologischen Herausforderungen für künftige Großprojekte, was für den Verkehr und für die Industrie? Wer steht bei der Klimawende auf der Gewinnerseite, wer verliert und wie kann der Staat diese Verluste abfedern? Welche Interessenkonflikte entstehen und wie soll der Zwiespalt aus ökonomischen Zielen und ökologischen Notwendigkeiten in Hinkunft gelöst werden? Solche Debatten finden in Österreich nicht statt. Stattdessen produziert die Regierung ein Wohlfühlpapier zum Klimaschutz nach dem nächsten und duckt sich eilig weg, sobald es wirklich ernst zu werden droht. Gut gehen kann das nur auf kurze Sicht. Die Konflikte häufen sich und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Reibefläche aufbricht. Dann beginnt der Eiertanz von Neuem.