Wie sich Österreich seine Zukunft verbaut
Jeden Tag werden in Österreich 15 Hektar freie Fläche zugebaut. Unser Lebensstil frisst uns den Boden unter den Füßen weg.
Der Vergleich macht sicher: Die historische Aufnahme aus den 1960er-Jahren zeigt einen eng gefassten Ortskern, aus dem zwei Ein- und Ausfahrtsstraßen hervortreten, die sich zwischen Feldern und Wiesenflächen verlieren. Auf dem aktuellen Foto, aus derselben Perspektive aufgenommen, lässt sich der Ortskern immer noch erkennen – umrandet allerdings von weitläufigen Streusiedlungen, einem Netz aus Verbindungsstraßen und den schachtelartigen Gebäuden eines Gewerbeparks.
Derartige Vergleichsbilder zu einst und heute gibt es von unzähligen Orten und Städten Österreichs. Ja, Österreichs Bevölkerung wächst stetig. Doch noch viel stärker wächst die Verbauung einst noch freier Bodenflächen. Fast 15 Hektar gingen laut Umweltbundesamt im Schnitt der letzten drei Jahre auf diese Weise verloren – und zwar täglich. Läuft die Entwicklung so weiter, warnen Ökologen, Agrarexperten und Statistiker, geht Österreich binnen 200 Jahren sämtlicher nutzbarer Ackerflächen verlustig. Schon heute stünden pro Person in Österreich nur noch 1600 Quadratmeter Ackerfläche zur Verfügung, sagt Kurt Weinberger, Vorstand der Österreichischen Hagelversicherung. Für eine Vollversorgung wären 3000 Quadratmeter nötig, doch die urbaren Flächen schrumpfen weiter. Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln sinkt dadurch immer weiter ab, warnt das Umweltbundesamt.
Die Ursachen sind vor allem im Lebensstil der Österreicher zu finden. Die durchschnittlichen Wohnflächen nehmen zu, zudem übt die Idee vom „Haus im Grünen“nach wie vor wachsen- de Anziehung aus. Die daraus entstehenden Siedlungsstrukturen machen Infrastruktur wie Straßen nötig, die wiederum die Planung neuer Einkaufszentren und Gewerbegebiete erleichtern. Dazu kommt eine Raumordnungspolitik, die Flächen nicht effizient nutzt. So nahm laut Statistik Austria die verbaute Fläche in Österreich seit 2001 um 24 Prozent auf rund 5200 Quadratkilometer zu, während die Bevölkerung nur um 8,7 Prozent gewachsen ist. Mit diesen Raten ist die Alpenrepublik Europameister im Flächenverbau. Gleichzeitig gibt es
derzeit rund 400 Quadratkilometer an ungenutzter Industrieund Gewerbebrache.
Besonders dramatisch: Von den 15 Hektar an täglichen Verbauungen werden 6 Hektar versiegelt, also mit wasser- und luftundurchlässigen Schichten bedeckt. Inzwischen kommt jeder Österreicher auf rekordverdächtige 265 Quadratmeter versiegelten Boden. So hat das Land mit 15 Metern pro Kopf eines der dichtesten Straßennetze und mit 1,8 Quadratmeter Supermarktfläche die höchste ProKopf-Einkaufsfläche Europas.
Das Problem dabei: Die Versiegelung lässt sich nicht wieder rückgängig machen. Einmal zubetoniert, ist das Land kaum noch fruchtbar zu machen. „Wir müssen mit unseren Böden wesentlich sorgsamer umgehen“, folgert Karl Kienzl, stellvertretender Geschäftsführer des Umweltbundesamts. „Nachhaltiges, strategisches Flächenmanagement ist unerlässlich.“
Denn es geht nicht nur um verlorene Ackerfläche. Durch den sorglosen Umgang mit Boden steigt das Hochwasserrisiko, während die Artenvielfalt schrumpft (siehe Beispiele).