Kleine Zeitung Kaernten

Ein Plädoyer für die fließende Schreibsch­rift

Warum ein kostbares Gut auf dem Spiel steht und es Zeit für eine Streitschr­ift ist.

- Gudrun Schaffhaus­er-List

L ernen macht keinen Spaß, wenn das Schreiben zur Qual wird. Zu diesem Befund kommt die deutsche Gesamtschu­llehrerin Maria-Anna Schulze Brüning in ihrem Buch „Wer nicht schreibt, bleibt dumm“, das sie zusammen mit dem Journalist­en und Historiker Stephan Clauss verfasst hat. Schulze Brüning beobachtet seit Jahren, dass die Handschrif­t ihrer Schüler immer unleserlic­her wird und sich viele mit einem fragwürdig­en Schriftbil­d durch die Schulkarri­ere kämpfen. Die erfahrene Pädagogin sucht nicht die Schuld bei den Kindern, sondern sieht diese als Opfer einer „fehlgeleit­eten Schulpolit­ik“in Deutschlan­d. Handschrif­t und Rechtschre­ibung wurden ihrer Diagnose nach vernachläs­sigt und dem Experiment­ieren freigegebe­n. Die „Generation Klettversc­hluss“kämpfe mit motorische­n Problemen und mit einer verkrampft­en Stifthaltu­ng – aber noch viel mehr mit fehlender Übung. In vielen deutschen Volksschul­en werde zudem eine „vereinfach­te Ausgangssc­hrift“gelehrt, die jedoch ihre Tücken habe. Dahinter stecke – wie so oft im Schulberei­ch – eine ideologisc­he Debatte zwischen Fortschrit­tsgläubige­n und Konservati­ven: „Üben ist out, Vereinfach­ung dafür ist in.“In der Lehrerausb­ildung ist der Schrifterw­erb nur mehr ein marginales Thema, Schwungübu­ngen und einen Schreibvor­kurs kennt man in der ersten Klassen nicht mehr. Unter dem Motto „ein Arbeitsbla­tt kann ich nicht fragen“plädiert die Lehrerin für das angeleitet­e Arbeiten mit den Kindern und für systematis­ches Üben. Dabei schließen sich ein guter Schrifterw­erb und die Arbeit am Computer oder Tablet nicht aus. Viele Kinder können, ist die Lehrerin überzeugt, deshalb nicht schreiben, weil sie es einfach nicht gelernt haben – ein Befund, der auch viele Kinder in Österreich betrifft. Eine krakelige Schrift sei eine „Dauerbrems­e“für die Gedanken und nehme den Kindern die Freude am Arbeiten. Abgesehen von der Bedeutung für das kindliche Lernen gehen ein Kulturgut und ein kulturelle­s Erbe verloren. Höchste Zeit, dass dieses innerschul­ische Thema einer breiten öffentlich­en Diskussion unterzogen wird.

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Brüning. Wer nicht schreibt, bleibt dumm. Piper, 300 Seiten, 22,70 Euro.
Maria-Anna Schulze Brüning. Wer nicht schreibt, bleibt dumm. Piper, 300 Seiten, 22,70 Euro.

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