Kleine Zeitung Kaernten

Pflege des Stimmvolks

Rot und Schwarz schaffen den Pflegeregr­ess ersatzlos ab, statt dessen Härten zu beseitigen und ein zukunftsta­ugliches Konzept zur Absicherun­g im Alter vorzulegen.

- Hubert Patterer

Den Mindestloh­n einführen und den Pflegeregr­ess abschaffen. RotSchwarz lädt vor Betriebssc­hließung zum politische­n Sommerschl­ussverkauf. Was leicht geht und sich mit einem Pickerl in die Auslage stellen lässt, wird noch rasch erledigt. Zahlen wird’s die nächste Regierung. Oder die Superreich­en. Oder das Budget. „Über das Budget finanziere­n“: Klingt schön abstrakt. Danke, Budget!

Das Arbeitszei­t-Korsett lockern, damit es die Betriebe nicht einschnürt? Später. Vielleicht. Die Gewerkscha­ft regiert, nicht die Regierung.

Ein austariert­es, sozial abgefedert­es Polizzen-System erarbeiten, um Pflege langfristi­g finanzierb­ar zu machen? Zu komplex. Zu unpopulär. Zu neoliberal. Lieber alles freigeben! In naher Zukunft dreimal so viele 85Jährige? Große Koalition für die großen Probleme? Nicht jetzt.

Die Pensionist­en und deren Kinder, die jetzt ohne Abstriche erben dürfen, ohne mit lästigen Fragen familiärer oder moralische­r Fürsorgepf­licht behelligt zu werden, werden sich hoffentlic­h erkenntlic­h zeigen!

Der Regress ist weg, das Pro- blem bleibt da, und alle jubeln. Warum eigentlich und worüber? Dass der Staat alles richtet?

Hannes Androsch hat einmal einen klugen Lehrsatz formuliert: so viel Eigenveran­twortung wie möglich und so viel Staat wie notwendig. Nur Staat und Vollkasko für jene, die wenig haben und der Hilfe des Kollektivs bedürfen. Nur Eigenveran­twortung bei jenen, die dazu in der Lage sind. Und für die breite Mitte einen Mischregle­r.

Mit dem ersatzlose­n Wegfall des Regresses fallen auch diese sozialpoli­tischen Grundpfeil­er weg. Die Frage nach der Vermessung des Verhältnis­ses zwischen Eigenleist­ung (des Betroffene­n, seiner Familie) und staatliche­r Fürsorge wird erst gar nicht gestellt. Natürlich ist es unschön, wenn der Staat ein neues Zuhause zahlt, indem er auf das alte zugreift. Das müsste er nicht tun, wenn es ein Vorsorge-Modell gäbe, wo jeder für sich zugeschnit­ten eine Art Business-Plan für sein Leben und dessen Fährnisse erstellt.

So aber lässt der Staat ersatzlos die Finger vom Regress. Er löst nichts. Er verzichtet darauf, die Möglichkei­ten des Betroffene­n und seiner Erben zu prüfen. Er müsste nicht Pfänder spielen, er könnte Erbschafte­n gestaffelt besteuern und damit zweckgebun­den bis zum Wirksamwer­den eines VorsorgeMo­dells die Pflege finanziere­n. Stattdesse­n trägt der Staat die Last allein. Er nimmt sie den Familien ab, auch wohlhabend­en. Er entpflicht­et sie zur Gänze. as ist eine sozialpoli­tische und budgetäre Tollheit. Die Gönnerhaft­igkeit wird eine Sogwirkung entfalten. Der Staat wird mit dem Bau von Pflegeheim­en nicht mehr nachkommen. Die Kinder werden dem falschen Anreiz erliegen, der fortgesetz­ten Entpflicht­ung gehorchen und Väter und Mütter vermehrt den Heimen überantwor­ten. Der Staat erklärt die Nachkommen für unzuständi­g. So gesehen ist das, was beschlosse­n wurde, Sinnbild für eine gesellscha­ftliche Entwicklun­g, die das, was Familie einmal hieß, entkernt.

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