Doppelte Zeitenwende
WIENER PARKETT. Am Donnerstag löst sich der Nationalrat auf. Viele Abgeordnete kehren nicht wieder. Das Hohe Haus sperrt für drei Jahre zu.
Nicht alle Parlamentarier sind über ihr bevorstehendes Ausscheiden aus dem Nationalrat verbittert. Karlheinz Töchterle, der einstige Wissenschaftsminister, zieht sich nicht nur aus der Politik zurück, auch die Emeritierung steht dem 68-jährigen Universitätsprofessor bevor. „Jetzt freue ich mich auf meinen Rückzug ins Otium“, formuliert der Altphilologe – also auf Mußestunden im Kreis seiner Familie, in den Bergen, in der Welt der Bücher. Allerdings mischt sich auch Kritik in den durchaus wehmütigen Abschied. „Ich möchte meine Zeit in der Politik nicht missen, auch wenn ich weniger bewegen konnte als erwartet und gewünscht.“
A m Donnerstag findet eine doppelte Zäsur im Hohen Haus am Wiener Ring statt. Zum einen löst sich ganz offiziell der Nationalrat auf, gleichzeitig wird der Wahltermin mit 15. Oktober formalisiert. Zum anderen sperrt das Parlament buchstäblich seine Pforten zu. Wegen des Umbaus übersiedelt das Plenum für mehr als drei Jahre in die Hofburg – und die Abgeordneten in Container am Heldenplatz und im Burggarten.
F ür nicht wenige Abgeordnete heißt es doppelt Abschied nehmen. Auch im noch schwarzen und bald türkisfarbenen Parlamentsklub brechen neue Zeiten an. Nicht nur Töchterle, auch die Ex-Ministerin Maria
Fekter und Beatrix Karl scheiden aus dem Parlament. Mehr als die Hälfte der schwarzen Mandatare kehren nicht wieder, darunter bekannte Gesichter wie Ex-ORF-Journalistin Gertrude
Aubauer, die beiden langjährigen Bauernbundchefs Jakob
Auer und Fritz Grillitsch, Ex-Generalsekretär Johannes Rauch, Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, die Ex-Stronachianer Kathrin Nachbaur, Rouven Ertlschweiger, Georg Vetter, Frauenchefin Dorothea Schittenhelm,
Kammerchef Hermann Schultes, Andreas Zakostelsky. Von acht
Steirern kehren nur Reinhold Lopatka und Werner Amon höchstwahrscheinlich wieder, beide werden es diesmal genauso wie Nationalratspräsident
Karlheinz Kopf über den Regionalwahlkreis versuchen. Bekanntlich hat ÖVP-Chef Sebastian
Kurz alle Parteifreunde von der Bundesliste verbannt, er will ausschließlich Quereinsteiger auf die Bundesliste setzen.
G eringer ist der Aderlass bei der SPÖ. So kehren Sicherheitssprecher Otto Pendl, aber auch die Abgeordneten Anton Heinzl, Marianne Gusenbauer, Erwin Spindelberger, die
rote Rebellin Daniela Holzinger, Gisela Wurm, Walter Schopf, Franz Kirchgatterer
und Elmar Mayer dem Parlament den Rücken. Zur Zitterpartie wird der 15. Oktober nicht für Ex-Minister Gerald
Klug und für Josef Cap. In seinem Regionalwahlkreis ist Cap chancenlos auf Platz zwei gereiht, auf der roten Bundesliste dürfte er kaum an wählbarer Stelle aufscheinen. Weg vom Fenster ist das Team Stronach, auf Kontinuität setzen die Freiheitlichen, bei den Grünen ist alles offen.
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rwartungsgemäß haben die Neos gestern bei ihrer Mitgliederversammlung mit klarer Mehrheit eine Allianz mit Irmgard Griss für den 15. Oktober beschlossen.