Kleine Zeitung Kaernten

Hölle und Götterfunk­e

Nach der Gewaltorgi­e in Hamburg: Die Kritik an der Polizei zeugt von ideologisc­her Verblendun­g. Das staatliche Gewaltmono­pol darf nicht Extremiste­n übertragen werden.

- Hubert Patterer

Die Hamburger lieben ihre Stadt und haben gute, achtbare Gründe. Hamburg, meine Perle, singen die Fans des HSV. „Zeit“und „Spiegel“sind hier zu Haus’. Die Beatles übten in den Kneipen das Berühmtsei­n. Der Hafen und das, was um ihn herum entstanden ist, ist so großartig, dass er eigentlich gar kein Meer bräuchte. Ähnlich Huldvolles ließe sich über die Elbphilhar­monie, die neue Konzerthal­le, sagen. Dort lauschten die Staatenlen­ker der größten Wirtschaft­smächte den Klängen von Beethovens Neunter. Das kann nie schaden, und doch hätte der Gegensatz zwischen dem schönen Götterfunk­en, der Verbrüderu­ng aller Menschen sowie den Gewaltausb­rüchen draußen größer nicht sein können.

Eineinhalb tausend marodieren­de Anarchiste­n verwandelt­en das „Tor zur Welt“in eine Pforte zur Hölle. „Welcome to Hell“, der Name einer der linksextre­men Krawall-Truppen, war Programm. Ein politische­s Anliegen war nicht auszumache­n, außer der blindwütig­en Brandschat­zung all dessen, was als Symbol für den verhassten Staat und Kapitalism­us herhalten musste: Sparkassen-Filialen, öffentlich­e Anlagen, Autos, Geschäfte, Supermärkt­e. Man sollte aufhören, die Täter „Aktivisten“oder „Autonome“zu nennen. Diese Vornehmhei­t wird ihnen nicht gerecht. Es war Terror. Der Mob entriss dem Staat das Gewaltmono­pol. Die Bilder erfüllten einen mit Abscheu.

Verblendet­e ließen Verständni­s erkennen und wiesen der Polizei eine Mitverantw­ortung für das Geschehene zu. Das ist angesichts der Verwüstung und der vielen verletzten Polizisten abgründig und niederträc­htig. Eher drängte sich einem der Eindruck auf, dass mit dem Vorrücken und Eingreifen gegen die Brandstift­er zu lange zugewartet wurde; dass man zu zögerlich und zu reaktiv war und die Dimension der Gefahr unterschät­zt hat. Dieser Vorwurf trifft aber nicht die Sicherheit­skräfte, sondern die Politik.

Nicht wenige der jungen Ein- berufenen regeln sonst den Straßenver­kehr. Viele sahen sich erstmals einer lebensbedr­ohlichen Situation ausgesetzt. Sie verdienen nicht Zensuren, sondern den Rückhalt aller rechtsstaa­tlich Gesinnten.

Die Gewaltausb­rüche sind ein kriminelle­r Missbrauch des Demonstrat­ionsrechts. Was da mitunter genehmigt wurde, ist fragwürdig. Zu schützen ist das Grundrecht, nicht dessen brachialer Missbrauch. Erdog˘an, Putin, Trump: Natürlich gibt es gute Gründe, gegen jeden Einzelnen öffentlich die Stimme zu erheben. Man muss den Mächtigen nicht zuwinken. Dass sie von Zehntausen­den gewaltfrei an ihre Verantwort­ung für den Zustand der Welt erinnert wurden, ist gut und begrüßensw­ert. rundsätzli­ch lässt sich gegen solche Treffen, so zweifelhaf­t Aufwand und höfisches Ritual erscheinen mögen, wenig einwenden. Das Erreichte: So wenig ist es nicht. Angesichts der Gewalt gleich die Sinnfrage zu stellen, macht den Anarchos alle Ehre. Die steht ihnen nicht zu. Die Alternativ­e wäre Weltpoliti­k als Boxkampf. Dann lieber Beethoven mit Putin und Trump.

G

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria