Auf den Knien in die Weltspitze
KÄRNTNERIN DES TAGES. Nadine Weratschnig kam durch Zufall zum Kanufahren, wollte nie Leistungssport betreiben. Heute zählt die Jugend-Olympiasiegerin zu den Besten im Wildwasser-Canadier.
Es passierte bei einem Spaziergang vor fünf Jahren mit Papa Hans am Wörthersee. Da sah Nadine Weratschnig eine Gruppe Kajakfahrer auf dem See trainieren: „Ich sagte zu meinem Vater, das will ich auch.“Hans erhob seine Stimme und rief Trainer Helmar Steindl zu: „Meine Tochter will paddeln.“Die Antwort kam postwendend: „Morgen um 16 Uhr soll sie kommen.“
Das war vor fünf Jahren. Nadine begann das Abenteuer Wildwasser-Kanu gemeinsam mit Zwillingsschwester Nina, die 25 Minuten älter ist. „Wir hatten nie eine Chance aufzuhören, weil Steindl nach jedem Training sagte: Morgen um die selbe Zeit sehen wir uns.“
Damit rutschte die ehemalige U14-Fußballmeisterin mit Krumpendorf in etwas hinein, das sie nie wollte – in den Leistungssport: „Nie im Leben hatte ich an so etwas gedacht. Als wir überrissen haben, wie uns geschieht, waren wir schon mitten drin.“Und wieder war es Steindl, der schon zu Beginn an die Zukunft der Zwillinge dachte. „Helmar setzte mich in den Canadier-Einer, weil ich das Kraftpaket und kleiner bin, Nina in das Kajak“, erinnert sich die 19-Jährige. „Damals erklärte er uns, so Streitigkeiten in der Zukunft zu verhindern, falls eine von uns erfolgreicher ist als die andere.“
Während Nina der letzte Ehrgeiz fehlt, macht Nadine alles für den sportlichen Erfolg: „Es war ein extrem harter Weg, weil wir Canadier in unserem Boot knien müssen, die Kajakfahrer sitzen dürfen. Das erste Jahr war brutal für mich. Mir sind immer wieder die Füße eingeschlafen, weil mir das Blut abgeschnitten wurde. Dazu ist es knieend viel schwieriger, im Boot die Balance zu halten. Wir brauchen auch viel länger, um die Technik zu lernen.“
Jugend-Olympiasiegerin. Bereits im zweiten Jahr stellte sich der größtmögliche NachwuchsErfolg ein. Die Krumpendorferin eroberte in China Gold bei den Olympischen Jugendspielen. Danach begann der steile Aufstieg der Maturantin des BG Lerchenfeld-Klagenfurt. Bisheriger Höhepunkt ist die EMBronzemedaille im Damenbewerb in Tacen (Slowenien).
Für die „Leseratte“ist das nur ein Schritt auf dem Weg zu den Sommerspielen 2020 in Tokio, wo der Damen-Wildwasser-Canadier-Einer erstmals olympisch ist: „Der Canadier-Einer galt immer als zu schwer für die Damen. Experten meinten nur – das ist zu kompliziert, das schaffen die Frauen nicht. Jetzt widerlegen wir diese blöden Aussagen.“
In der Heimat ist Nadine nur sehr selten anzutreffen: „Wenn ich pro Jahr auf 30 Tage zu Hause komme, ist das viel. Ab 2018 werden es noch weniger werden, weil da schon die heiße Phase für die Spiele beginnt.“
Wenn sie daheim ist, steht sie „sehr gerne am Herd. Da bekoche ich meine Familie mit von mir erfundenen Rezepten. Ich experimentiere mit Sachen, die eigentlich nicht zusammen gehören. Da es sehr wenig Beschwerden gibt, gelingt mir das Kochen ganz gut.“
Mit dem Internet hatte Nadine lange Zeit nichts am Hut: „Als ich zwölf war, hatten wir in der Schule Informatik. Da habe ich der Lehrerin gesagt: Das lerne ich nicht, weil ich das Internet weder nutzen noch brauchen werde. Heute geht ohne Internet gar nichts mehr, weil wir die Trainings-, Reise- und Rennpläne alle auf das Smartphone geschickt bekommen.“
Ein Internet-Junkie ist sie trotzdem nicht: „Auf Facebook und Instagram bin ich vertreten, aber keine, die jede Minute schaut, ob es neue Postings gibt. Wir sind einmal auf Trainingslager gefahren und ich habe mein Smartphone zu Hause vergessen. Mir ging es 15 Tage lang nicht ein bisschen ab. Ich setze mich viel lieber hin und nehme ein Buch zur Hand.“
Das wird ab Herbst auch nötig sein, da will die Olympiasiegerin in Wien mit einem internationalen Wirtschaftsstudium beginnen: „Nur nebenbei, denn bis zu meinem 30. Lebensjahr will ich noch im Kanu knien.“