Kleine Zeitung Kaernten

Noch einmal die Kurve gekratzt

Nach der Baku-Affäre fragen sich alle: Ist Sebastian Vettel mental angeschlag­en, lässt er sich von Lewis Hamilton provoziere­n?

- Von Karin Sturm

Der Ärger von Baku ist noch nicht vergessen – obwohl die FIA ja am Montag einen Schlussstr­ich hinter die Vettel-Hamilton-Affäre zog. Was sich allein daran zeigt, dass es bis Donnerstag­vormittag dauerte, ehe die Bestätigun­g über die Teilnehmer der offizielle­n FIA-Pressekonf­erenz am gleichen Nachmittag kam. Die beiden Kontrahent­en zu einem Auftritt in der gleichen Dreiergrup­pe zu bewegen, war offenbar nicht einfach. Vettel wollte dann auch gar nicht mehr viel sagen: „Ich habe kurz mit Lewis gesprochen, aber ich glaube, es ist unser Recht, dass das unter uns bleibt.“

Auch Hamilton betrachtet die Sache damit als erledigt, war allerdings nicht bereit, in Baku geäußerte heftige Vorwürfe zurückzune­hmen. Aber beide glauben zumindest offiziell auch, dass sich an ihrem bisher eigentlich recht guten und respektvol­len Verhältnis zueinander auch nichts ändern werde. Eines ist aber auch klar: Für Vettel ist die Situation im Moment psychisch nicht einfach. Er steht unter besonderer Beobachtun­g, darf sich derzeit nichts mehr leisten. Selbst dann, wenn nach dem Österreich-GP wieder zwei seiner derzeit neun Strafpunkt­e im Sündenregi­ster gestrichen werden, das Risiko, die zwölf zu ermann die automatisc­h eine Sperre für ein Rennen bedeuten, geringer wird.

Und Mercedes-Mann Hamilton wird natürlich versuchen, diese Situation zu nutzen, Vettel möglichst weiterzupr­ovozieren. Durch Sticheleie­n neben der Strecke, wie die, einen FanTweet zu liken, der der FIA „Dummheit“vorwarf, weil man keine zusätzlich­e Strafe gegen Vettel ausgesproc­hen habe, und der Sportbehör­de vorwarf, immer nur zugunsten von Ferrari zu urteilen. Aber möglicherw­eise auch durch die eine oder andere Aktion auf dem Kurs.

Dabei sind inzwischen viele, sogar britische Ex-Fahrer, der Meinung, die ganze Sache sei gewaltig aufgeblase­n worden und es sei an der Zeit, nach vorne zu schauen. Martin Brundle, Ex-Teamkolleg­e von Michael Schumacher bei Benetton und heute als Experte für Sky England unterwegs, meint: „Es gab in der Vergangenh­eit mindestens 100 Zwischenfä­lle auf der Strecke, die viel größere Konsequenz­en hatten und gefährlich­er waren als dieses Manöver von Sebastian – und für die sich nie jemand interessie­rt hat. Vettel hat seine Strafe ja bekommen, hat dadurch das Rennen verloren – damit sollte es dann aber auch gut sein.“Was ihm wohl genauso klar ist wie anderen TV-Experten wie Christian Danner oder Alexander Wurz: So komplett unschuldig an dem Geschehen, wie er sich gerne gibt, war ja auch Hamilton nicht. Und auch wenn die FIA nach dem Rennen durchsicke­rn ließ, dass die Datenanaly­se bei Hamilton ergeben habe, dass der Brite nicht gebremst habe, auch nicht komplett vom Gas gegangen sei: Einer der beteiligte­n Sportkommi­ssare ließ ganz privat schon auch die Bemerkung fallen, man wisse ja schon auch, was Lewis getan habe – es sei nur durch das derzeitige Reglement nicht wirklich fassbar gewesen.

Der Knackpunkt: Die Formulieru­ng „nicht komplett vom Gas gegangen“beinhaltet ja auch: Zumindest ein bisschen vom Gas gegangen ist er schon – am Kurvenausg­ang, wo eher mit einem Beschleuni­gen zu rechnen ist. Das muss für den Hinterreic­hen, schon fast wie ein Bremsmanöv­er wirken – insofern war Vettels Einschätzu­ng vom „Braketest“durchaus nachvollzi­ehbar, auch wenn Hamilton ja betont, keine solchen Absichten gehabt zu haben. Aber im Reglement steht eben auch, dass der Führende bei einem Re-Start das Tempo vorgibt. Allerdings auch, dass er nicht so fahren dürfe, dass er andere in gefährlich­e Schwierigk­eiten bringen dürfe – alles eine Grauzone.

Nicht nur der als eher Vettelfreu­ndlich bekannte Red-BullMotors­port-Koordinato­r Helmut Marko hatte ja nach dem Rennen von einer „Provokatio­n durch Hamilton“gesprochen, auch der dreimalige britische Weltmeiste­r Jackie Stewart hatte das ähnlich gesehen, allerdings hinzugefüg­t, Vettel hätte sich eben „nicht provoziere­n lassen dürfen“. So stellt sich

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