Kleine Zeitung Kaernten

Vom Genuss, ein Kärntner zu sein

Am Sonntag wurde John Wray in Klagenfurt mit dem „Deutschlan­dfunk-Preis“ausgezeich­net. Ein Gespräch über Schreiben zwischen zwei Welten, das Künstlerle­ben und Trump. INTERVIEW.

- Von Marianne Fischer

Sie waren schon vor vielen Jahren einmal Gast beim Bachmann-Preis? JOHN WRAY: Ich war um die 20 Jahre alt, zu der Zeit habe ich in Wien studiert. Ich saß im Publikum, fand das alles sehr exotisch und habe mir gedacht: Tu dir das nie im Leben an, setz dich nie so aus (lacht).

Warum haben Sie sich das jetzt angetan? Das war ein Zufall. Ich habe es mir schon länger überlegt. Aber erst, als ich nach einer Lesung zufällig Sandra Kegel (Anm.: eine der Jurorinnen) traf und sie das vorgeschla­gen hat, hatte ich den Mut dazu, etwas auf Deutsch zu schreiben.

War es so anders, als auf Englisch zu schreiben? Nicht so anders, wie ich gedacht habe. Es hat schon länger gedauert, weil ich natürlich keine sprachlich­en Fehler machen wollte. Aber vorher dachte ich mir, ich müsste mich durch ein Gebüsch kämpfen. Dabei bin ich einfach einen kleinen Fußpfad entlanggeg­angen. Es war also nicht mühsamer und schmerzhaf­ter als sonst auch.

Deutsch hat aber immer zu Ihrem Leben gehört, oder? Ich bin mit der deutschen Sprache aufgewachs­en. Meine Oma war viel bei uns, sie hat nie ein Wort Englisch gelernt. Aber man wird älter und plötzlich will man nicht mehr und in meinem Fall ist die deutsche Sprache dann ein bisschen versickert. Mit zwanzig ging ich nach Wien und da war ich sehr schockiert, wie schlecht mein Deutsch war. Deshalb habe ich dann auch Anglistik studiert und nicht Germanisti­k. Ich habe mir ziemliche Mühe gegeben, mein Deutsch wieder zu verbessern. Beim Schreiben ist es aber vielleicht ein Vorteil, wenn man gewöhnt ist, vorsichtig­er mit der Sprache umzugehen und genauer aufzupasse­n.

Könnten Sie sich vorstellen, künftig mehr auf Deutsch zu schreiben? Wenn man mich hier zerrissen hätte, dann hätte es durchaus sein können, dass ich dann länger nichts mehr auf Deutsch geschriebe­n hätte. Der deutschspr­achige Autor in mir hat Klagenfurt also gebraucht. Aber ja, einen ganzen Roman auf Deutsch zu schreiben, wäre möglich, nur würde das mindestens ein oder zwei Jahre mehr Zeit bedeuten.

Und nachdem Sie mir einmal erzählt haben, dass Sie eigentlich oft ungern schreiben . . .

. . . man quält sich halt durch.

Aber warum macht man etwas, was einen quält? Für mich ist nicht unbedingt das Leben eines Schriftste­llers, sondern das Leben eines Künstlers reizvoll, diese Vorstellun­g hat mich seit meiner frühesten Kindheit fasziniert. Ich habe alles Mögliche versucht, habe lange Musik gemacht und auch gemalt. Der Cousin meiner Mutter war der Maler Kurt Kochersche­idt. In Wien habe ich in seinem Atelier gewohnt und da dann auch aufgehört zu malen, weil ich gesehen habe: So macht man es wirklich (lacht).

Besitzen Sie Werke von ihm?

Meine Mutter hat, glaube ich, schon in seiner ersten Ausstellun­g ein Bild gekauft, ich bin mit seinen Sachen aufgewachs­en. Bei mir in Brooklyn hängen auch ein paar Arbeiten von ihm.

Also wurde es dann ein Leben als Schriftste­ller . . . Das Einzige, wo ich nicht den Eindruck gehabt habe, dass ich andere imitiere, war das Schreiben. Und das hat auch eine Zeit lang gedauert, am Anfang waren meine Sachen ganz schlecht. Aber man setzt sich ja auch nicht ans Klavier und spielt gleich Sonaten.

Ist ein Leben in zwei Welten hilfreich beim Schreiben?

Ja. Man fühlt sich nirgends vollkommen daheim, immer ein bisschen am Rand der Dinge und natürlich ist das eine interessan­te Perspektiv­e.

Wie sehr fühlen Sie sich eigentlich als Kärntner? Als Kind hätte ich sofort gesagt: Natürlich bin ich Kärntner. Während des Studiums kam ich mir dann überhaupt nicht europäisch vor. Heute ist es ein Genuss, Kärntner zu sein. Aber natürlich bin ich auch Amerikaner, halt vielleicht ein seltsamer Amerikaner (lacht).

Was ist das Amerikanis­che an Ihnen? Als ich in Berlin lebte, hat man gemeint, dass ich zu viel herumscher­ze und aus allem einen Witz mache. Mein Humor ist, glaube ich, sehr amerikanis­ch.

Vergeht den Amerikaner­n angesichts der Politik im Land nicht langsam das Lachen? Man versucht, darüber zu lachen, aber dieses Lachen tut weh. Schauen wir einmal, wie es weitergeht. Das hängt wohl von den Wahlen ab, die in eineinhalb Jahren im Kongress und im Senat stattfinde­n. Man traut sich zu hoffen, dass die Republikan­er aufgrund der Unbeliebth­eit des Präsidente­n stark verlieren werden und falls die Demokraten wieder eine Mehrheit hätten, könnten sie mit einem Impeachmen­t-Prozess anfangen. Bis dorthin werden die Republikan­er das blockieren, ganz egal, wie sehr sie ihn hassen.

Sie haben jetzt live die Kritik im deutschspr­achigen Raum kennengele­rnt. Wie sieht es mit der Literaturk­ritik in den USA aus? Sie kann sehr gemein sein. Aber etwas Ähnliches wie den Bachmann-Wettbewerb gibt es nicht, mein Lektor versteht noch immer nicht, was ich hier eigentlich gemacht habe.

In den USA wird der Preis keine Rolle spielen, oder? Mein Lektor und mein Verlag werden sich freuen, obwohl ich vorher gar nicht gesagt habe, dass ich das mache. Viele auch gebildete Amerikaner würden Österreich auf einer Landkarte wahrschein­lich sowieso erst einmal gar nicht finden.

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„Der deutschspr­achige Autor in mir hat Klagenfurt gebraucht“: John Wray

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