Auf Augenhöhe mit der Regierung
Nach der heutigen Sitzung schließt das Parlament für eine dreijährige Generalsanierung seine Pforten. Ein Blick in die alte und temporär neue Heimat der Innenpolitik.
Wenn der Nationalrat heute im Hohen Haus zusammenkommt, um die Neuwahl am 15. Oktober endgültig zu beschließen, werden sich die Abgeordneten ihren Platz im Plenarsaal besonders gut anschauen. Denn es dürfte Jahre dauern, bis sie wieder in das Gebäude zurückkehren. Der heutige Tag markiert nicht nur das Ende der Gesetzgebungsperiode, sondern auch das Ende einer Ära. Denn das 130 Jahre alte Gebäude am Ring – vom dänischen Architekten Theophil Hansen nach dem Vorbild eines griechischen Tempels geplant – schließt für drei Jahre seine Pforten. Während das Parlament generalsaniert und der Plenarsaal abgeflacht, neu bestuhlt und barrierefrei gemacht wird, verlagert sich das Zentrum der Innenpolitik in und um die Hofburg – zehn Minuten Fußweg entfernt. Ab 16. August findet Parlamentarismus im Großen Redoutensaal der Hofburg statt. Bis dahin werden 5800 Umzugskartons, 700 Tische, 1400 Kästen und 1700 Stühle ins neue Quartier gesiedelt.
Der Umbau sei bitter nötig, erklärt Hermann Schnell, während er über die steilen Stufen ins Dach des Parlaments steigt. Oben wird klar, was der Architekt, der die Generalsanierung mitgeplant hat, damit meint. Wasserflecken zieren die Wände, Träger rosten vor sich hin und mancherorts droht die Decke ganz einzustürzen. „Einmal hat es während einer Nationalratssitzung auf Unterlagen eines Grünen-Abgeordneten getropft“, erzählt Schnell. „Und der Stuhl von Nationalratspräsident Kopf ist abgebrochen – mitten in der Sitzung.“Schnell muss lachen. „Als hätten wir Architekten das eingefädelt, damit die Abgeordneten für eine Sanierung stimmen.“Nach der Wiedereröffnung werden sich auf dem Dach Besucher tummeln, um durch eine Glasdecke einen Blick auf die Abgeordneten werfen zu können – Berlin und die markante Glaskuppel am Reichstag lassen grüßen.
erhalten werden kann, muss Geld in die Hand genommen werden. Rund 400 Millionen Euro sind für die Sanierung eingeplant, „mit Rücklagen“, versichert der Architekt. Deshalb könne er die Kritik des Rechnungshofes, der vor einer Kostenexplosion gewarnt hatte, nicht nachvollziehen. Diesem war vor allem jenes Projekt ein Dorn im Auge, das dem Münchner besonders viel Freude zu bereiten scheint, wenn er am Weg über die engen Stufen in den Keller davon erzählt: Der Raum unter dem Plenarsaal soll zu einem Ausschusslokal werden. Aktuell befindet sich hier ein ausgeklügeltes, aber veraltetes Lüftungssystem, das den Sitz jedes Abgeordneten mit Frischluft versorgt. „In Zukunft läuft das mit Fernwärme und -kühlung.“
Trotz der geplanten Kosten ist der Umbau auf lange Sicht die günstigste Variante. Überlegt wurde auch ein Neubau in der Vorstadt. „Das wäre im Bau günstiger gewesen, aber das haben wir natürlich nur als hypothetische Vergleichsvariante
vorgelegt“, schmunzelt Schnell. Auf lange Sicht sei es „natürlich rentabler, dieses tolle Haus zu erhalten.“Kurz sei auch überlegt worden, die alte Wirtschaftsuniversität als Ausweichquartier zu nutzen.
Während das „tolle Haus“seine Verjüngungskur erhält, präsentiert sich auch die Hofburg in neuem Glanz. Der Redoutensaal wurde eigens umgebaut, um dem National- wie auch dem Bundesrat eine neue Heimat bieten zu können. In einem äußerst symbolträchtigen Punkt markiert die Übersiedlung eine Zäsur: Nicht nur im Provisorium, auch im umgebauten Haus am Ring sitzen die Abgeordneten künftig erstmals auf Augenhöhe mit der Regierung, Vergleichbares kennt man aus dem Bundestag in Berlin. Im jetzigen Plenarsaal thronen Kanzler und Minister über den Volksvertretern.
Die Aufteilung der drei zum Großteil aus Holz gebauten Büropavillons, die als Ausweichquartier dienen, ist genau festgelegt. SPÖ und ÖVP übersiedeln auf den Heldenplatz, aber räumlich streng getrennt. Die ÖVP bezieht den Würfel, der näher bei der Hofburg liegt, die SPÖ den anderen Kubus. Nach der Wahl kann sich das aber ändern. Sollte eine der beiden Parteien im Oktober von den Wählern abgestraft werden und deutlich an Mandaten verlieren, dürfte sie eine der „erfolgreicheren“Parteien als PavillonPartner bekommen. Grüne und FPÖ brauchen kein Ausweichquartier, ihre Büros befinden sich außerhalb des Parlaments. Die Neos ziehen (vorübergehend) in die Hofburg ein.
Im dritten temporären Gebäude, das im Bibliothekshof beim Burggarten steht, finden sich neben dem Büro von Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) auch die Parlamentsdirektion und alle, die schnell im Plenarsaal sein müssen. Denn von diesem Pavillon aus führt ein weißer verwinkelter Gang – unter den Parlamentsmitarbeitern als „Schnorchel“bekannt – direkt in die Hofburg und in den Redoutensaal. Ist der Umbau abgeschlossen, verschwinden die Pavillons. Sie bestehen aus Fertigteilen, mit denen nach dem Abbau 80 Einfamilienhäuser gebaut werden können.
Bevor das alte Parlament seine Pforten für den Umbau schließt, schlendert Architekt Schnell noch einmal durch den Plenarsaal. An den Sesseln der Abgeordneten vorbei, die bald versteigert werden. Dass der „alte Kasten“, wie er das Parlament liebevoll nennt, so lange durchgehalten hat, liege auch am Team, das es betreut. „Mit viel Hingabe und Pflege wurde das Haus gut erhalten. Aber jetzt beginnt eine neue Ära.“