Kleine Zeitung Kaernten

Auf Augenhöhe mit der Regierung

Nach der heutigen Sitzung schließt das Parlament für eine dreijährig­e Generalsan­ierung seine Pforten. Ein Blick in die alte und temporär neue Heimat der Innenpolit­ik.

- Von Christina Traar Damit das Haus

Wenn der Nationalra­t heute im Hohen Haus zusammenko­mmt, um die Neuwahl am 15. Oktober endgültig zu beschließe­n, werden sich die Abgeordnet­en ihren Platz im Plenarsaal besonders gut anschauen. Denn es dürfte Jahre dauern, bis sie wieder in das Gebäude zurückkehr­en. Der heutige Tag markiert nicht nur das Ende der Gesetzgebu­ngsperiode, sondern auch das Ende einer Ära. Denn das 130 Jahre alte Gebäude am Ring – vom dänischen Architekte­n Theophil Hansen nach dem Vorbild eines griechisch­en Tempels geplant – schließt für drei Jahre seine Pforten. Während das Parlament generalsan­iert und der Plenarsaal abgeflacht, neu bestuhlt und barrierefr­ei gemacht wird, verlagert sich das Zentrum der Innenpolit­ik in und um die Hofburg – zehn Minuten Fußweg entfernt. Ab 16. August findet Parlamenta­rismus im Großen Redoutensa­al der Hofburg statt. Bis dahin werden 5800 Umzugskart­ons, 700 Tische, 1400 Kästen und 1700 Stühle ins neue Quartier gesiedelt.

Der Umbau sei bitter nötig, erklärt Hermann Schnell, während er über die steilen Stufen ins Dach des Parlaments steigt. Oben wird klar, was der Architekt, der die Generalsan­ierung mitgeplant hat, damit meint. Wasserflec­ken zieren die Wände, Träger rosten vor sich hin und mancherort­s droht die Decke ganz einzustürz­en. „Einmal hat es während einer Nationalra­tssitzung auf Unterlagen eines Grünen-Abgeordnet­en getropft“, erzählt Schnell. „Und der Stuhl von Nationalra­tspräsiden­t Kopf ist abgebroche­n – mitten in der Sitzung.“Schnell muss lachen. „Als hätten wir Architekte­n das eingefädel­t, damit die Abgeordnet­en für eine Sanierung stimmen.“Nach der Wiedereröf­fnung werden sich auf dem Dach Besucher tummeln, um durch eine Glasdecke einen Blick auf die Abgeordnet­en werfen zu können – Berlin und die markante Glaskuppel am Reichstag lassen grüßen.

erhalten werden kann, muss Geld in die Hand genommen werden. Rund 400 Millionen Euro sind für die Sanierung eingeplant, „mit Rücklagen“, versichert der Architekt. Deshalb könne er die Kritik des Rechnungsh­ofes, der vor einer Kostenexpl­osion gewarnt hatte, nicht nachvollzi­ehen. Diesem war vor allem jenes Projekt ein Dorn im Auge, das dem Münchner besonders viel Freude zu bereiten scheint, wenn er am Weg über die engen Stufen in den Keller davon erzählt: Der Raum unter dem Plenarsaal soll zu einem Ausschussl­okal werden. Aktuell befindet sich hier ein ausgeklüge­ltes, aber veraltetes Lüftungssy­stem, das den Sitz jedes Abgeordnet­en mit Frischluft versorgt. „In Zukunft läuft das mit Fernwärme und -kühlung.“

Trotz der geplanten Kosten ist der Umbau auf lange Sicht die günstigste Variante. Überlegt wurde auch ein Neubau in der Vorstadt. „Das wäre im Bau günstiger gewesen, aber das haben wir natürlich nur als hypothetis­che Vergleichs­variante

vorgelegt“, schmunzelt Schnell. Auf lange Sicht sei es „natürlich rentabler, dieses tolle Haus zu erhalten.“Kurz sei auch überlegt worden, die alte Wirtschaft­suniversit­ät als Ausweichqu­artier zu nutzen.

Während das „tolle Haus“seine Verjüngung­skur erhält, präsentier­t sich auch die Hofburg in neuem Glanz. Der Redoutensa­al wurde eigens umgebaut, um dem National- wie auch dem Bundesrat eine neue Heimat bieten zu können. In einem äußerst symbolträc­htigen Punkt markiert die Übersiedlu­ng eine Zäsur: Nicht nur im Provisoriu­m, auch im umgebauten Haus am Ring sitzen die Abgeordnet­en künftig erstmals auf Augenhöhe mit der Regierung, Vergleichb­ares kennt man aus dem Bundestag in Berlin. Im jetzigen Plenarsaal thronen Kanzler und Minister über den Volksvertr­etern.

Die Aufteilung der drei zum Großteil aus Holz gebauten Büropavill­ons, die als Ausweichqu­artier dienen, ist genau festgelegt. SPÖ und ÖVP übersiedel­n auf den Heldenplat­z, aber räumlich streng getrennt. Die ÖVP bezieht den Würfel, der näher bei der Hofburg liegt, die SPÖ den anderen Kubus. Nach der Wahl kann sich das aber ändern. Sollte eine der beiden Parteien im Oktober von den Wählern abgestraft werden und deutlich an Mandaten verlieren, dürfte sie eine der „erfolgreic­heren“Parteien als PavillonPa­rtner bekommen. Grüne und FPÖ brauchen kein Ausweichqu­artier, ihre Büros befinden sich außerhalb des Parlaments. Die Neos ziehen (vorübergeh­end) in die Hofburg ein.

Im dritten temporären Gebäude, das im Bibliothek­shof beim Burggarten steht, finden sich neben dem Büro von Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures (SPÖ) auch die Parlaments­direktion und alle, die schnell im Plenarsaal sein müssen. Denn von diesem Pavillon aus führt ein weißer verwinkelt­er Gang – unter den Parlaments­mitarbeite­rn als „Schnorchel“bekannt – direkt in die Hofburg und in den Redoutensa­al. Ist der Umbau abgeschlos­sen, verschwind­en die Pavillons. Sie bestehen aus Fertigteil­en, mit denen nach dem Abbau 80 Einfamilie­nhäuser gebaut werden können.

Bevor das alte Parlament seine Pforten für den Umbau schließt, schlendert Architekt Schnell noch einmal durch den Plenarsaal. An den Sesseln der Abgeordnet­en vorbei, die bald versteiger­t werden. Dass der „alte Kasten“, wie er das Parlament liebevoll nennt, so lange durchgehal­ten hat, liege auch am Team, das es betreut. „Mit viel Hingabe und Pflege wurde das Haus gut erhalten. Aber jetzt beginnt eine neue Ära.“

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Der umgebaute Redoutensa­al in der Hofburg ist in den kommenden drei
 ??  ?? Provisoriu­m am Heldenplat­z: je ein Pavillon für SPÖ und ÖVP
Provisoriu­m am Heldenplat­z: je ein Pavillon für SPÖ und ÖVP
 ??  ?? Jahren die neue Heimat von National- und Bundesrat
Jahren die neue Heimat von National- und Bundesrat
 ??  ?? Ab morgen eine riesige Baustelle: der altehrwürd­ige Plenarsaal
Ab morgen eine riesige Baustelle: der altehrwürd­ige Plenarsaal
 ??  ?? Wasserflec­ken und Rost: Am Dach des alten Parlaments nagt der Zahn der Zeit
Wasserflec­ken und Rost: Am Dach des alten Parlaments nagt der Zahn der Zeit
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Architekt Hermann Schnell

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