Kleine Zeitung Kaernten

Pietätlosi­gkeit als Gegengift der Mortalität

über die Ausstellun­g „Körperwelt­en“und den Unternehme­r Gunther von Hagens.

- Monika Wogrolly Monika Wogrolly

I n theatralis­chen Posen („Der Radfahrer“, „Der Herzchirur­g“) spalten die Körperwelt­en des Gunther von Hagens, die gerade in Graz gezeigt werden, die Geister.

Gab es früher noch Anmeldefor­mulare, wenn man sich nach einem Ausstellun­gsrundgang selbst für die posthume Verwertbar­keit als Plastinat interessie­rte, besteht längst kein Bedarf an Freiwillig­en.

Der deutsche Arzt, Anatom und Unternehme­r Gunther von Hagens bedient mit seinen Ausstellun­gen die Klaviatur des Schaurig-Schönen seit vielen Jahren mit dem Unvermeidb­aren: Er polarisier­t erfolgreic­h mit der Endlichkei­t des Daseins. In der Messehalle A in Graz fühlt man sich als Besucher gegenüber den geruchsneu­tralen anonymen Exponaten eher wie in einem Wachsfigur­enkabinett. Es ist skurril, fast zynisch, wenn schmächtig­e Besucher sorglos vor durchtrain­ierten Verstorben­en mit Sonnenbril­len auf Fahrrädern und im Laufschrit­t stehen. Dass das einmal lebende Menschen waren, daran gemahnt fast nichts. Es sind jetzt Puppen, Kunstfigur­en, und alle zeigen die Gesichtszü­ge ihres Meisters.

Im Spannungsf­eld von anatomisch­er Lehrstunde und infamer Verniedlic­hung des Todes finden wir uns schwerlich zurecht. Der tiefenpsyc­hologische Verdacht liegt nahe: Gunther von Hagens wehrt seine eigene panische Angst vor dem Tod ab, indem er sich selbst halbnackt auf dem Seziertisc­h fotografis­ch inszeniert, umgeben von über ihn gebeugten plastinier­ten Leichen, oder aber sich in einem anderen Fall in einer Fotomontag­e an ein Kruzifix heftet.

Was Gunther von Hagens’ Körperwelt­en nicht sind: ehrliche Fortbildun­gsmöglichk­eiten für anatomisch Interessie­rte. D as würde seine exaltierte Inszenieru­ng von Toten überflüssi­g machen. Was die Körperwelt­en sind: der bittersüße Versuch eines medizinisc­h ausgebilde­ten Unternehme­rs, die Unantastba­rkeit des Todes satirisch aufzuweich­en und seine Pietätlosi­gkeit als Gegengift der Mortalität zur Kunst zu machen.

„Dass das einmal lebende Menschen waren, daran gemahnt fast nichts. Es sind jetzt Puppen, Kunstfigur­en.“

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