Der Kühlschrank des Kanzlers
Politiker wollen zeigen: Wir kaufen selbst Milch ein, zählen nicht zur Elite und wollen sie schon gar nicht vertreten.
Österreichs Kanzler hat es in einem Sonntagsinterview bereits verraten. Er geht jeden Samstag mit seiner zehnjährigen Tochter einkaufen und ist auch sonst aufgrund einer arbeitenden Ehefrau für die Befüllung des Kühlschrankes zuständig. Ansonsten wäre dieser nämlich unter Umständen leer. Wer ihn befüllt, wenn er gerade einige Tage im Ausland weilt, wird der Fantasie des Lesers überlassen. Sebastian Kurz wiederum zeigt seit Wochen, dass er ebenfalls nicht nur außenministeriell durch die Welt fliegt. In diversen „Österreich-Gesprächen“lässt er sich mit arbeitenden, kranken Menschen fotografieren. Botschaft Nummer eins: Ich höre euch zu. Botschaft Nummer zwei: Ich bin einer von euch, ich nehme eure Sorgen ernst und will sie lösen.
Die kurze Kernbotschaft von Kurz und Kern? Wir gehören nicht zur alten Politikerelite, wir gehören keiner Elite an. Eine Wahlkampfbotschaft, die quer durch Parteien und Länder geht. SPD-Chef Martin Schulz ließ ja wissen, dass ihn nicht „das Denken der selbst ernannten Eliten, sondern das der hart arbeitenden Menschen“interessiere. Zur Elite will also keiner zählen. Schon gar nicht will er sie vertreten. Aber jeder versucht, dem anderen zu unterstellen, zur Elite zu gehören oder sie zu vertreten. VP-Chef Kurz sei der „Schutzpatron der Millionäre“, ruft die SPÖ. Kern wiederum musste den Vorwurf „rote Schale, schwarzer Kern“schlucken.
W arum das alles ein wenig absurd ist? Weil jeder sich die besten Chirurgen, die besten Lehrer, Politiker, Wissenschaftler wünschen müsste. Und auch wünscht, sobald man Kinder hat oder am OP-Tisch liegt. Da fordert jeder die absolute Elite, die kompetentesten Chirurgen, Manager, Lehrer. Und da ist es dann ziemlich schnell gleichgültig, wer wann den Kühlschrank befüllt.