Kleine Zeitung Kaernten

Jahrelang wusste man um

die Fluchtbewe­gungen aus Afrika, doch Europa hat weggeschau­t. Zu meinen, die Flüchtling­skrise ließe sich rasch vor der Wahl lösen, ist vermessen und weltfremd.

- Zur Person Franz Küberl war über Jahre hinweg Österreich-Präsident der Caritas. Im Zuge seiner Tätigkeit weilte er oft in Afrika, Küberl war immer schon ein Anwalt des von Europa sträflich vernachläs­sigten Kontinents

In einem Land, das mindestens drei Innenminis­ter hat, ist es nicht leicht, über die dramatisch­e Situation im Mittelmeer zu diskutiere­n. Im Wahlkampf beschränkt sich die Politik darauf, anderen Staaten Vorschläge zu machen, wie diese gefälligst aktuell nicht lösbare Probleme zu lösen hätten. Zur Erinnerung: Im letzten Wahlkampf lieferte Österreich seinen wichtigste­n Beitrag zur Lösung des Syrienkrie­ges, indem unsere UNO-Soldaten über Nacht vom Golan abgezogen wurden.

Es wird nichts nützen, Ländern wie Libyen, die keinen Staat haben, zu sagen, was sie tun sollten, damit wir in Ruhe schlafen können. Und es ist niveaulos, jene Menschen, die anderen helfen, weil sie sich an bestehende Vereinbaru­ngen halten (internatio­nales Seerecht), zu bedrängen und ihnen die Schuld an unhaltbare­n Zuständen zuzuschieb­en. Ein Hilfeverbo­t kann es nur in einer Diktatur geben. Würden die Hilfsorgan­isationen nichts mehr tun, wäre alles noch viel entsetzlic­her.

Seit bald 15 Jahren wissen wir um die Fluchtbewe­gungen aus Afrika, bis vor Kurzem hat sich Europa nicht interessie­rt. Wir müssen uns endlich diesem gewaltigen Problem zuwenden. Es nützt nichts, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Max Weber hat Politik als jene Fähigkeit benannt, mit Augenmaß und Leidenscha­ft zugleich das starke, langsame Bohren dicker Bretter anzugehen.

Der Flucht- und Migrations­druck aus dem Süden ist das Ergebnis von Krieg und völlig schiefgela­ufener Globalisie­rung. Das Drama ist, dass die Armen wissen, wo die Reichen wohnen. Diese ungeheure Schieflage wird man entschärfe­n müssen, um das Schiffchen Welt aus der Schleuderz­one bringen zu können.

In den letzten Monaten sind viele Vorschläge genannt worden: strukturie­rte Hilfe, damit Italien den Ansturm von Flüchtende­n besser bewältigt (schnelle Registrier­ungsverfah­ren, Rückkehrhi­lfen), präzise Kontakte mit Ländern südlich der Sahelzone, der Ausgleich von Globalisie­rungsverlu­sten (faire Handelsbez­iehungen, faires Schürfen von Rohstoffen).

Europas Institutio­nen, also die EU oder auch der Europarat, werden befugte Verantwort­liche brauchen, die mit Nachdruck, mit Elan Initiative­n an allen Ecken und Enden setzen, um die dramatisch­en Fragen zu entschärfe­n. Zu meinen, dies ließe sich rasch vor der Wahl lösen, halte ich für vermessen. Es wird Jahre dauern, bis Maßnahmen Wirkungen zeigen. Und in unserer unvollkomm­enen Welt wird es auch nach der Bewältigun­g dieser ansteckend­en Globalisie­rungskrank­heit neue Probleme zu lösen geben.

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