Wie die Besatzer zu Befreiern wurden
Eine so informative wie eindrucksvolle Dokumentation zu 70 Jahren Marshallplan.
Ich brauche Ihnen, meine Herren, nicht zu sagen, dass die Weltlage sehr ernst ist ...“So begann US-Außenminister George C. Marshall am 5. Juni 1947 seine Rede an der Universität in Harvard, in der er „die freundschaftliche Hilfe der USA beim Aufstellen eines europäischen Programms gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos“anregte. Dieses „European Recovery Program“wurde ein Jahr später vom Kongress in Kraft gesetzt. 14 Milliarden Dollar (heutiger Gegenwert: Rund 113 Milliarden Euro) pumpten die USA in Form von Rohstoffen, Waren, Lebensmitteln und Krediten in das nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden liegende Europa. Der „Marshallplan“, wie er nach seinem Initiator bekannt werden sollte, der dafür übrigens 1953 den Friedensnobelpreis erhielt, wurde zum erfolgreichsten wirtschaftspolitischen Projekt der amerikanischen und europäischen Geschichte. „Die Rettung Europas und der Wiederaufbau Österreichs“lautet der Untertitel der umfassenden Publikation von Günter Bischof und Hans Petschar. Der Vorarlberger (Marshallplan-Professor an der Universität von New Orleans) und der Kärntner (Historiker an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien) schildern in gehaltvollen Texten und eindrucksvollen Fotos, wie die Handreiche der Amerikaner in Westeuropa und speziell auch in unserem Land die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Staat wieder voranbrachte und bis heute Wirkung zeitigt.
Vom Wirtschaftswunder bis zum Wohlfahrtsstaat, vom Staatsvertrag bis zum Europagedanken, von Impulsen für die Industrie bis zum Aufschwung in Tourismus, Bildung, Kultur: Die imposante Dokumentation zeigt, wie der Marshallplan wesentlich mithalf, Österreich neu zu formen, wie die Besatzer nochmals zu langfristigen Befreiern wurden. Gestaltet hat den Prachtband übrigens der Grazer Designer Alexander Kada, der zuletzt für etliche Jubiläumsbücher – 100 Jahre Ausbruch des 1. Weltkriegs (2014), 200 Jahre Wiener Kongress (2015), 650 Jahre Universität Wien (2015) oder 300 Jahre Freimaurer (2017) – verantwortlich zeichnete.