Kleine Zeitung Kaernten

Die Streitsüch­tigen

Zuerst die Türkei, jetzt Italien: Um im Wahlkampf schneidig und furchtlos zu wirken, torkelt Österreich in den offenen Konflikt mit der Außenwelt. Mäßigung täte not.

- Hubert Patterer

sterreich soll Haltung zeigen, aber es steht dem Land nicht gut zu Gesicht, sich mit möglichst vielen Staaten, noch dazu Nachbarn, in eine Krawall-Beziehung zu verstricke­n, nur weil der Krawall daheim gut ankommt. Das soll und darf nicht der Ehrgeiz und die Sendung des Landes sein. Ein Kleinstaat, der seinen Markenkern im Ausgleich und Zusammenfü­hren gefunden hat, sollte mit solchen Blähungen und Überspannt­heiten nach außen behutsamer umgehen.

Es ist nicht die Aufgabe Österreich­s, die erste und schrillste Stimme bei der Forderung nach einseitige­r Beendigung der (ohnehin stillstehe­nden) Beitrittsv­erhandlung­en mit der Türkei zu sein. Es schwächt und entmutigt die demokratis­che Gegenbeweg­ung im Land und stärkt den Despoten und dessen Opfer-Masche. Sie ist in der Mobilisier­ung sein schärfstes Machtinstr­ument. Und selbst, wenn die jüngste Verdüsteru­ng für einen endgültige­n Bruch spräche: Die Verantwort­ung für so ein solistisch­es Vorpresche­n ohne Abstimmung mit den europäisch­en Partnern kann das neutrale Land gar nicht tragen.

Also raus aus der Lichtung und rein in die Gremien der Gemeinscha­ft! Drinnen, in Gegenwart der anderen, lautstark seine Stimme zu erheben und um ein gemeinsame­s Vorgehen zu ringen, ist mutiger und redlicher als die medienwirk­same Einzelvors­tellung im Freien.

Dasselbe gilt auch für den fahrlässig angeheizte­n Konflikt mit Italien. Ihn herunterzu­kühlen und zur Mäßigung zurückzuke­hren, stünde der Regierung gut an. Italien ist mit seiner Außengrenz­e, die sich nun einmal nicht schließen und sperren lässt wie der Loibl oder der Brenner, bei der Bewältigun­g der Flüchtling­sströme auf sich allein gestellt. Der Nachbar in Not meistert die humanitäre und administra­tive Herausford­erung untadelig und achtbar, auch wenn Staat und Zivilgesel­lschaft zusehends an ihre Grenzen stoßen.

In dieser Bedrängnis mit mar- tialischen Drohungen (Panzer!), wohlfeilen Mahnungen und brachialen Empfehlung­en von außen konfrontie­rt zu werden, würde vermutlich jedes noch so robuste Nervenkost­üm überstrapa­zieren. as rechtferti­gt nicht die Ausfälle und geschichts­vergessene­n Vergleiche des Bürgermeis­ters von Lampedusa an die Adresse des österreich­ischen Außenminis­ters. Aber die Verbitteru­ng der Alleingela­ssenen über das ferne, selbstgefä­llige Sich-Ereifern des nördlichen Nachbarn kann man nachvollzi­ehen.

Österreich darf nicht noch einmal die traumatisc­he Erfahrung machen, dass seine Grenzen durch den Sog der Ereignisse unter den Augen der Bürger und der ohnmächtig­en Exekutive ihre Bestimmung verlieren.

Dazu braucht es ein vorbeugend­es Grenzsiche­rungskonze­pt und solidarisc­he, europäisch­e Nachbarsch­aftshilfe im Süden, um Italien bei der Betreuung, Verfahrens­abwicklung und den Rückführun­gen zu unterstütz­en. Hier sollte Österreich innerhalb der EU vorangehen. Und nicht als Scharfmach­er auf der Wahlkampfb­ühne.

D

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria