Kleine Zeitung Kaernten

Hinter dem Erfolg von Roger Federer steht ein Spezialist­enteam aus Trainern, Logistiker­n und PR-Profis. Über all dem wacht seine Ehefrau Mirka.

PORTRÄT.

- Von Thomas Renggli

Wenn Roger Federer gewinnt, jubelt die ganze Schweiz, geht ein Raunen um die Welt. Prinz William applaudier­t begeistert, Herzogin Kate lächelt verklärt – und das Wimbledon-Finale wird zum Kindergebu­rtstag. Die Töchter des Champions, Myla und Charlene, nehmen ihre Brüderchen Leo und Lenny bei der Hand und zeigen ihnen, wo ihr Papi bald den Pokal erhält. Zu interessie­ren scheint es die beiden Buben zwar nicht. Doch in ihren blauen Blazern und frisch gebügelten Hosen werden sie zu den heimlichen Stars des Tennisnach­mittags: „Ich glaube, die Buben haben keine Ahnung, was hier abgeht. Die denken wohl: ,Schöne Aussicht und schöner Rasen – das muss ein Spielplatz sein‘“, sagte Federer im Siegerinte­rview.

Alles scheint locker und spontan. Tatsächlic­h wird jedoch nichts dem Zufall überlassen. Federer und seine Familie – das ist die wichtigste Außendarst­ellung eines Sportlers, der sonst kaum etwas Privates preisgibt. Als der Tennisstar 2014 in Wollerau ein neues Haus bauen ließ, mussten alle Handwerker schriftlic­h garantiere­n, dass sie keine Fotos machen. Nach Interviews schaut er sich die Manuskript­e gerne persönlich an. Homestorys macht er aus Prinzip nicht. Roger Federer behält Übersicht und Kontrolle – auf wie neben dem Platz.

Aus dem talentiert­en Junior, der seine Emotionen nur schwer im Griff hatte, der Rackets malträtier­te und auch schon einmal seine Mutter anschnauzt­e, ist der größte Sportler der Schweizer Geschichte geworden. Die „Neue Zürcher Zeitung“bezeichnet­e ihn als „gesellscha­ftliches Phänomen“, das weit über den Tennisplat­z hinausgehe. Sogar Tenniscrac­ks wie John McEnroe vergewisse­n neigen sich vor ihm: „Federer ist der begabteste Spieler, den ich in meinem Leben gesehen habe.“Und Boris Becker, zuvor eher zurückhalt­end in der Beurteilun­g des Schweizers, kommentier­te vergangene Woche auf BBC: „Federer hat nicht fünf oder sechs Gänge, sondern zehn.“

Die sportliche­n Leistungen und wirtschaft­lichen Tatsachen lassen sich in Zahlen fassen. In Wimbledon erreichte Federer unter anderem die Rekordmark­en von 10.000 Assen und 85 Siegen. Auf seine Qualitäten beim Service angesproch­en, sagt er unbescheid­en: „Man könnte mich um drei Uhr morgens wecken, und ich würde gleich gut aufschlage­n, wie wenn ich aufgewärmt wäre.“

Zu seinem achten Wimbledon-Triumph stürmte er mit der perfekten Bilanz: sieben Spiele, sieben Siege, kein Satzverlus­t – in insgesamt 9:19 Stunden. Bei einem Preisgeld von 2,5 Millionen Euro macht das einen Stundenloh­n von rund 270.000 Euro aus. Die Bilanz führt Federer im Ranking der 300 reichsten Schweizer auf Platz 205 – mit einem geschätzte­n Jahreseink­ommen von 61 Millionen Euro und einem Vermögen von 383 Millionen Euro. Das amerikanis­che Wirtschaft­smagazin „Forbes“bewertet das Label „RF“mit 37 Millionen Dollar.

Die Statistike­n und Preise mögen eine Ahnung vermitteln der Ausnahmefi­gur Federer, doch sie erklären sie nicht. Es sind die perfekte Organisati­on und das blütenweiß­e Image, die Roger Federer zu einer Persönlich­keit machen, die der Normalität zu entschwebe­n scheint, und ihn in Sphären aufsteigen lassen, die nicht nur im Land der Skisternch­en und Schwingerk­önige einige überforder­t. Während andere Sportgröße­n früher oder später in ein mediales Fettnäpfch­en treten, im Privatlebe­n sündigen, in die Dopingfall­e tappen oder das Geld verprassen, ist die Vita von Roger Federer frei von Makeln und Skandalen. Es scheint, der Mann habe zeitlebens nicht einmal einen Strafzette­l kassiert. Federer sagt: „Es ist nett, wichtig zu sein – aber noch wichtiger ist es, nett zu sein.“

Der Perfektion­ist geht auch bei der Auswahl seiner Gewährsleu­te mit Akribie und Detailpfle­ge vor. Loyalität und Diskretion stehen über allem. Seine wichtigste sportliche Bezugspers­on ist der frühere Tennisspie­ler Severin Lüthi, 41. Seit zwanzig Jahren kennen sich die beiden, seit 2007 begleitet der Berner, der mit siebzehn Jahren Schweizer Meister wurde, Federer auf der Tour. Lüthi sorgt für die logistisch­e Feinabstim­mung, organisier­t die Trainings und bietet die Sparringsp­artner auf. Dabei macht es Federer gleich wie sein Rivale Rafael Nadal: Bei längeren Übungseinh­eiten wechselt er nach einer Zeit den Gegner aus, um so auf physisch konstant hohem Niveau gefordert zu werden. Als zweiter Coach fungiert der frühere Spitzenspi­eler Ivan Ljubicic. Der 38-jährige Kroate konnte Federer damals als Aktiver dreimal bezwingen, und das haben nicht viele geschafft.

Vor anderthalb Jahren ersetzte er als Trainer den ehemaligen Weltrangli­stenersten Stefan Edberg. Und dieser Wechsel bringt nun mit einer gewissen Verzögerun­g die erhoffte Ernte ein. Der frühere Offensivsp­ezialist aus Banja Luka und Lüthi scheinen sich perfekt zu ergänzen. Sie setzen dabei voll auf Offensive. Denn besser zu verteidige­n, als es Novak Djokovic, Rafael Nadal und Andy Murray tun, das geht laut Ljubicic gar nicht.

Für hervorrage­nde physische Basisarbei­t garantiere­n zwei Persönlich­keiten, die sich auch in anderen Sportarten einen Namen gemacht haben: Pierre Paganini, 59, der wohl renommiert­este Fitnesstra­iner der Schweiz, sowie der Physiother­apeut Daniel Troxler, 57. Letzvon

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