Dieseldebatte: Deutschland sucht Plan D
Nachrüsten oder in einigen Städten ganz verbieten? In Deutschland nahen entscheidende Tage für Dieselautos, ihre Besitzer und eine Branche, die durch Kartellvorwürfe jetzt noch stärker unter Druck steht.
Ist es der „finale Angriff“auf den Diesel in Stuttgart, wie es deutsche Medien bezeichneten? Das muss sich erst weisen. Fest steht aber, dass die kommenden Tage viel Brisanz in sich bergen. Am Freitag wird in der Autometropole Stuttgart ein Urteil erwartet, das weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Wie berichtet, wird vor dem dortigen Verwaltungsgericht eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verhandelt. Es geht um den sogenannten Luftreinhalteplan, der ab 2018 gelten soll. mindestens sieben Jahren werden in Stuttgart die EUGrenzwerte für Stickstoffdioxid deutlich überschritten. Die DUH sieht daher in Dieselfahrverboten die einzige wirksame Maßnahme. Das will die Autoindustrie verhindern – sie sieht in Nachrüstungen einen möglichen Ausweg. Konkret sollen Rückrufaktionen für Dieselmodelle gestartet werden, um dann per SoftwareUpdate den Stickoxidausstoß deutlich zu reduzieren. Am Stuttgarter Verwaltungsgericht hat jedoch Richter Wolfgang Kern bereits in der Vorwoche deutliche Zweifel ange- meldet, ob diese Nachrüstungen ausreichen. Mit Spannung wird daher dem 2. August entgegengeblickt. Bei einem hochkarätig besetzten „Dieselgipfel“wollen Politik, Behörden und Industrie eine Lösung für die Stickoxidproblematik präsentieren. Es geht also um einen „Plan D“für die Zukunft von Dieselfahrzeugen in deutschen Städten. Hersteller wie Daimler oder Audi haben beSeit
reits in den vergangenen Tagen umfangreiche freiwillige Rückrufe angekündigt. Die Nervosität ist groß – können keine überzeugenden Maßnahmen präsentiert werden, könnten ab 2018 tatsächlich Dieselmodelle aus Städten verbannt werden.
VW-Konzernchef Matthias Müller forderte in der „Rheinischen Post“jedenfalls eine deutschlandweite Entscheidung statt verschiedener Regelungen in den Städten. „Die Verunsicherung ist ja groß. Das spüren wir auch an den Dieselbestellungen, die merklich zurückgegangen sind“, so Müller. Er selbst spricht sich – wenig überraschend – gegen drastische Einschränkungen aus. „Fahrverbote sehen wir generell als falschen Schritt an.“
Doch die stolze und einflussreiche deutsche Autoindustrie ist angeschlagen. Der jüngste „Spiegel“-Bericht rund um geheime Absprachen zwischen den Herstellern wirbelt viel Staub auf – die EU-Kommission ermittelt. VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler sollen sich jahrelang in einem Kartell über Technik, Kosten und Zulieferer abgesprochen haben. Besonders pikant: Dabei könnte auch ein Grundstein für den Abgasskandal gelegt worden sein. Denn seit 2006 sollen sich die Konzerne auch darüber abgestimmt haben, wie groß Tanks für das Harnstoffgemisch „AdBlue“sein sollten, mit dem Stickoxide in die harmlosen Bestandteile Wasser und Stickstoff aufgespalten werden. Die Wahl sei auf günstige kleinere Tanks gefallen, die später aber nicht mehr ausreichten, um Abgase ausreichend zu reinigen. Den Vorwurf weist BMW zurück.