Die Spitze des Pflege-Eisbergs
N ach dem Aus für den Regress fehlt bei der Pflege Geld. Doch das ist nicht das größte Problem.
Der Staat greift künftig nicht mehr auf das Vermögen von pflegebedürftigen Personen zu, um einen Teil der Pflegekosten zu decken. Dadurch ist eine Finanzierungslücke entstanden; sie beträgt etwa 200 Millionen Euro. Wer sich genauer ansieht, wie Pflegeleistungen finanziert werden, kommt jedoch zum Schluss: Das ist nur die Spitze des Pflege-Eisbergs.
Zuletzt gaben Bund und Länder zusammen in einem Jahr 5,03 Milliarden Euro für Pflege aus – Tendenz steigend. Diese große Summe ergibt sich aus komplizierten Finanzströmen zwischen den Verwaltungsebenen. Größter Einzelposten ist das Pflegegeld, das vom Bund bezahlt wird. Die Länder geben am meisten Geld für stationäre Dienste aus, also z. B. Pflegeheime.
Das Finanz-Wirrwarr zwischen Bund und Ländern bei der Pflege ist ein Paradebeispiel dafür, dass Österreichs Föderalismus dringend überarbeitet werden sollte. Das Recht, Steuern einzuheben, liegt ja größtenteils beim Bund. Gleichzeitig beschließen die Länder Ausgaben, ohne den Bund zu fragen – und holen sich dann das nötige Geld über den Finanzausgleich. Eine Betrachtung etwa der Kosten für einen Tag in stationärer Pflege in den Bundesländern bringt irritierende Erkenntnisse: In Wien kostet ein Tag 238 Euro, in Oberösterreich hingegen 111 Euro. Obwohl Wien und Oberösterreich 2015 etwa gleich viele Tage verrechneten, gab Wien um ca. 380 Millionen mehr aus, wie der Fiskalrat feststellte. Das ist doppelt so viel wie die entfallenen Einnahmen beim Regress. D er abgeschaffte Pflegeregress ist also eines der kleineren Probleme. Die Pflege neu zu denken ist eine wichtige Aufgabe für die neue Regierung. Eine Lösung wäre: Jeder Österreicher ist verpflichtet, auf sein individuelles Pflegekonto einzuzahlen; das sollte steuerfrei sein. Braucht er im Alter Pflege, ist das Geld dafür da. Falls nicht, freuen sich die Erben. Ein anderer Weg wäre eine Versicherungspflicht wie in den Niederlanden. Beide Lösungen wären besser als der Status quo.
„Jeder Österreicher könnte verpflichtet werden, auf sein individuelles Pflegekonto einzuzahlen – und zwar steuerfrei.“