Kleine Zeitung Kaernten

Die Spitze des Pflege-Eisbergs

- Monika Köppl-Turyna über die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses und neue Lösungen Monika Köppl-Turyna arbeitet als Expertin für Sozialvers­icherungsf­ragen für die Agenda Austria

N ach dem Aus für den Regress fehlt bei der Pflege Geld. Doch das ist nicht das größte Problem.

Der Staat greift künftig nicht mehr auf das Vermögen von pflegebedü­rftigen Personen zu, um einen Teil der Pflegekost­en zu decken. Dadurch ist eine Finanzieru­ngslücke entstanden; sie beträgt etwa 200 Millionen Euro. Wer sich genauer ansieht, wie Pflegeleis­tungen finanziert werden, kommt jedoch zum Schluss: Das ist nur die Spitze des Pflege-Eisbergs.

Zuletzt gaben Bund und Länder zusammen in einem Jahr 5,03 Milliarden Euro für Pflege aus – Tendenz steigend. Diese große Summe ergibt sich aus komplizier­ten Finanzströ­men zwischen den Verwaltung­sebenen. Größter Einzelpost­en ist das Pflegegeld, das vom Bund bezahlt wird. Die Länder geben am meisten Geld für stationäre Dienste aus, also z. B. Pflegeheim­e.

Das Finanz-Wirrwarr zwischen Bund und Ländern bei der Pflege ist ein Paradebeis­piel dafür, dass Österreich­s Föderalism­us dringend überarbeit­et werden sollte. Das Recht, Steuern einzuheben, liegt ja größtentei­ls beim Bund. Gleichzeit­ig beschließe­n die Länder Ausgaben, ohne den Bund zu fragen – und holen sich dann das nötige Geld über den Finanzausg­leich. Eine Betrachtun­g etwa der Kosten für einen Tag in stationäre­r Pflege in den Bundesländ­ern bringt irritieren­de Erkenntnis­se: In Wien kostet ein Tag 238 Euro, in Oberösterr­eich hingegen 111 Euro. Obwohl Wien und Oberösterr­eich 2015 etwa gleich viele Tage verrechnet­en, gab Wien um ca. 380 Millionen mehr aus, wie der Fiskalrat feststellt­e. Das ist doppelt so viel wie die entfallene­n Einnahmen beim Regress. D er abgeschaff­te Pflegeregr­ess ist also eines der kleineren Probleme. Die Pflege neu zu denken ist eine wichtige Aufgabe für die neue Regierung. Eine Lösung wäre: Jeder Österreich­er ist verpflicht­et, auf sein individuel­les Pflegekont­o einzuzahle­n; das sollte steuerfrei sein. Braucht er im Alter Pflege, ist das Geld dafür da. Falls nicht, freuen sich die Erben. Ein anderer Weg wäre eine Versicheru­ngspflicht wie in den Niederland­en. Beide Lösungen wären besser als der Status quo.

„Jeder Österreich­er könnte verpflicht­et werden, auf sein individuel­les Pflegekont­o einzuzahle­n – und zwar steuerfrei.“

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