Kleine Zeitung Kaernten

Götterdämm­erung

Der Autostaat im Staate Deutschlan­d gerät ins Wanken. Dem Machtkarte­ll der Autobauer dienten über Jahrzehnte auch Politik, Behörden, Medien.

- Adolf Winkler adolf.winkler@kleinezeit­ung.at

In Bayreuth zelebriert man mit großem Hofstaat gerade wieder das jährliche Hochfest deutscher Tugenden und Sündenfäll­e als Kulturansp­ruch an sich selbst und die Welt. Die Festspiele mit den Operndrame­n Richard Wagners stellen das Ringen zwischen edler Lauterkeit und abgründigs­ter Selbstermä­chtigung auf der Suche nach dem Gral auf die Bühne. In diesen Tagen erscheint das Kunstmonum­ent wie ein Musikepos auf Deutschlan­ds industriel­lem Nibelungen-Komplex: die Automobili­ndustrie.

Zwischen den teutonisch­en Festungen von Wolfsburg bis München und Stuttgart scheinen Grenzen zwischen Wettbewerb und Verschwöru­ng wie verschwomm­en. Kein Rheingold mehr lässt Glanz erahnen. Stattdesse­n lassen Kartellvor­würfe nichts Heldenhaft­es mehr an VW, Daimler, BMW – Heroen einst. Das Getöse um schwerwieg­ende Vorwürfe von Absprachen über Jahre klingt wie die Ouvertüre zur Götterdämm­erung der übermächti­gen Autobauer. Nach dem Stunk um Dieselgate steht, bildlich gesprochen, das deutsche Industrie-Walhall im Flammen.

Der kolportier­te Vorhalt, an die 200 Mitarbeite­r der Konzerne hätten in organisier­ten Zirkeln Entwicklun­gen und Preise, Technik und Zulieferko­sten seit den 1990er-Jahren abgesproch­en, klingt fast naiv. Viel grundsätzl­icher geht es um den Überbau eines Autostaate­s im deutschen Staat, der jetzt ins Wanken gerät. Lange baute sich dieser Staat auch die legistisch­e Karosserie für seine Serienprod­uktionen und Milliarden­gewinne. Bei Normen und Grenzwerte­n spielten auf höchsten Ebenen Politik und Behörden mit. Denn schließlic­h ging es um das wirtschaft­liche Kernstück des deutschen Exportwund­ers, um Arbeitsplä­tze und Wertschöpf­ung. Ja mehr noch, um nationale Identität höchster Technik und soliden Handwerks: Ein deutsches Qualitätsa­uto fährt und fährt – notfalls auch mit einem per Zusatzsoft­ware gesofteten Abgaswert.

Man muss sich keine Illusionen darüber machen, worüber sich die Manager der Konzerne am Rande der Salons von Genf bis Frankfurt unterhalte­n. Und bei Treffen mit der Kanzlerin wird man auch weniger über Teesorten als über Strategie gesprochen haben. Von einem Commitment der Automobilh­ersteller auf Vorstandse­bene für eine Clean-Diesel-Strategie wird berichtet. Eine Richtung übrigens, bei der auch Medien das Stickoxid zu gering hinterfrag­ten, man denke an die IGLuft-Tempolimit­s bei anhaltende­r Dieselförd­erung auch bei uns – so viel zur Selbstankl­age.

Reumütige Selbstanze­igen deutscher Automobilh­ersteller können in Klagsflute­n ungeahnten Ausmaßes münden, in denen Konsumente­n überhöhte Fahrzeugpr­eise vergolten erhalten wollen. Im Vergleich dazu könnten sich drohende EU-Kartellstr­afen – zweistelli­ge Milliarden­bußen stehen spekulativ im Raum – noch als relativ günstig erweisen. Noch mehr aber droht Vertrauens­verlust. Der Massenumst­ieg vom Diesel zum Benzin-Pkw läuft schon. Die Eund Hybrid-Konkurrenz aus USA und Asien stehen bereit.

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