Peter Pilz tritt nun definitiv mit einer eigenen Liste bei der Wahl an – und verwirrt damit Freund und Feind.
Elf Stimmen gaben den Ausschlag – beim Bundeskongress der Grünen am 25. Juni in Linz. Hätten elf Grüne bei der Kampfabstimmung um den vierten Listenplatz für Peter Pilz und nicht für Julian Schmid gestimmt, wäre dem 63-jährigen Gründungsmitglied der Grünen die Schmach erspart geblieben, die Innenpolitik hätte eine andere Wendung genommen. Vielleicht bauen sich die Erschütterungen von Linz zu einer Riesenwelle auf, die am 15. Oktober, am Wahlsonntag, keinen Stein auf dem anderen lässt.
Vor einer Woche trat der gebürtige Steirer aus der Partei aus, gestern gab der zum wilden Abgeordneten mutierte Langzeitabgeordnete seine Kandidatur für die Nationalratswahl bekannt – gemeinsam mit vier anderen Mitstreitern, u. a. einem radikalen Tierschützer, einem Konsumentenschützer und der Mitorganisatorin des Frauenvolksbegehrens – geschickt gemacht, um den Vorwurf zu entkräften, das ganze Projekt sei nicht viel mehr als eine Ich-AG, eine One-Man-Show eines frustrierten Altachtundsechzigers. Wer noch an Bord ist, wird nach und nach bekannt gegeben werden – einer ähnlichen Methode bedient sich Sebastian Kurz, der den Medien jede Woche einen Kandidaten serviert – nicht mehr W und nicht weniger. as Pilz inhaltlich bezweckt, ist eigentlich uralt. Er bastle an einer „politischen Kraft, die den Zustand der Erstarrung in Österreich aufbrechen“wolle. Das System ins Wanken bringen, wenn nicht sogar zerschlagen, das wollten auch schon Jörg Haider, Frank Stronach, Matthias Strolz, Irmgard Griss. Neu ist, dass sich der Protest links artikuliert. Österreich zählt zu den wenigen Ländern Europas, in der die Sozialdemokraten links nie eine echte Konkurrenz befürchten müssen. Pilz ist widersprüchlicher. Er machte sich
Das System ins Wanken bringen wollten schon Haider, Stronach, Strolz, Griss. Neu ist, dass sich
der Protest links artikuliert. Die SPÖ hatte noch nie eine ernsthafte Konkurrenz links von sich.
neuerlich für eine radikale Umverteilung in Österreich stark, und die meisten seiner Mitstreiter entstammen denn auch dem rot-grünen Biotop. In der Flüchtlings- und Ausländerpolitik schlägt Pilz, der in der roten Industriehochburg Kapfenberg sozialisiert wurde, andere Töne an. So er- klärte er vor Dutzenden Kameras, er wolle die „Flüchtlingskette so früh wie möglich und menschenfreundlich unterbinden“. Will heißen: Die Lager in Jordanien oder auch in der Türkei sollten so aufgepeppt werden, dass die Flüchtlinge in der Region bleiben. War Johanna Mikl-Leitner nicht vor zwei Jahgestern ren dafür geprügelt worden? Neuerlich wiederholte er sein Credo, im Kern wolle er „Europa als unsere Heimat schützen“. Einige Mitstreiter verdrehten während der Pressekonferenz die Augen, als er der Regierung sinngemäß vorwarf, wegen der Drohgebärden am Brenner (Panzer, Zäune) Südtirol zu verraten und Österreichs Schutzmachtrolle zu unterlaufen. F ür die Grünen, die seit Monaten in den Seilen hängen, ist das Antreten eine Katastrophe. In den letzten Jahren schien es mit den Grünen tatsächlich aufwärts zu gehen, mit Erfolgen bei zahllosen Landtagswahlen (Einzug in fünf Regierungen), bei der Europawahl (mit Lunacek), zuletzt die Hofburg. Rückblickend zeigt sich, dass die Erfolge auf regionaler, europäischer, präsidentieller Ebene die Probleme auf Bundesebene nur kaschierten. Fatal war der Abgang von Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner, der die Truppe mit eiserner Hand zusammenhielt. Nun schlagen sich die Grünen mit einer N Dreierführung herum. och ist nicht absehbar, welchen Erfolg Pilz bei den Wahlen einfahren wird. Bei den TV-Duellen, die im Herbst die Innenpolitik in Atem halten werden, ist Pilz zum Zuschauen verdammt. Seine Attacken gegen den politischen Islam oder die Islamkindergärten finden Anklang in blauen und schwarzen Kreisen. Ob das für einen Wechsel ins Lager der Transparenten (Parteifarbe der Liste Pilz) reicht?
Einige Beobachter meinen, mit dem Antreten von Pilz sei Schwarz-Blau so gut wie sicher, weil er der SPÖ die entscheidenden Prozentpunkte für Platz eins abspenstig macht – die Erschütterungen von Linz würden unweigerlich in einer Riesenwelle, in einem politischen Tsunami enden. Na ja, gewählt wird erst in zwölf Wochen.