Vom Wesen und Unwesen der Macht
Ferdinand von Schirach hält heute die Eröffnungsrede in Salzburg.
Gut möglich, dass der angeblich sehr öffentlichkeitsscheue Mann, der heute das Podium im Salzburger Festspielhaus betritt, dem Publikum gehörig die Leviten liest. Ferdinand von Schirach (53), einige Zeit in Doppelfunktion als Strafverteidiger und Autor tätig, ist bekannt dafür, unbequeme Wahrheiten offen, unverblümt und direkt auszusprechen. Das tat er rund 20 Jahre lang vor Gericht so, das präzisierte er als einer der mittlerweile erfolgreichsten Schriftsteller Europas. Die Gesamtauflage seiner Bücher nähert sich der Dreimillionenmarke, sein Gerichtsdrama „Terror“, bei dem das Publikum die Rolle der Jury übernimmt, wird rund um den Erdball gezeigt.
Geraume Zeit führte Ferdinand von Schirachs Doppelleben zu höchst konträren Reaktionen. In Kollegenkreisen galt er als publicity-freudiger „PromiAnwalt“, der, höchst medienwirksam, unter anderem den einstigen DDRBonzen Günter Schabowski verteidigte. Auch seine ersten Buchveröffentlichungen ab 2009 erweiterten zwar das Genre der Gerichtsthriller durch die knappe, präzise, aber fast filmreife Sprache erheblich, aber auch da häuften sich Vorwürfe, er würde sich allzu leichtfertig bei realen Fällen bedienen.
Eindrucksvoll verarbeitet hat der Festredner seine Familienchronik. Immerhin ist er ein Enkelkind von Baldur von Schirach, dem berüchtigten NSReichsjugendführer. Häufig greift Ferdinand von Schirach die Frage auf, wo denn nun die Grenzen zwischen Gut und Böse zu ziehen seien. Und er verweist auf die oft bestehende Kluft zwischen juristischer „Wahrheit“und der Wirklichkeit. Heute wird er über „Macht“sprechen, mit einigen wortmächtigen Anklagen.