| Stefan Winkler über das EuGH-Grundsatzurteil zu Europas Asylregeln
Der Europäische Gerichtshof hält in einem Grundsatzurteil an den EU-Flüchtlingsregeln fest, und das ist gut so. An deren Reform führt dennoch kein Weg vorbei.
Dublin III ist schon lange gescheitert. Das Abkommen sollte eigentlich die europäische Asylpolitik steuern. Doch aufgrund grober Konstruktionsmängel hat es sich dafür bereits zu einem Zeitpunkt als untauglich erwiesen, da sich der Massenansturm auf Europas Grenzen nicht einmal als fernes Wetterleuchten am Horizont abzeichnete.
Die Politik des Durchwinkens ist nicht erst eine Erscheinung der dramatischen Spätsommertage des Jahres 2015, als sich aus Syrien, dem Irak und Afghanistan endlose Flüchtlingskolonnen nach Europa aufmachten.
Vom Rest der Europäer mit dem Elend im Mittelmeer allein gelassen, hat Europas Süden es vor Jahren schon zur gängigen Praxis erhoben, die an seinen Küsten Gestrandeten mehr oder weniger unbehelligt nach Norden weiterziehen zu lassen. Angela Merkels mehr vom Herz als vom Verstand diktierte Grenzöffnung 2015, die die DublinRegel faktisch außer Kraft setzte und dazu führte, dass Hunderttausende ungeordnet in die EU und weiter nach Deutschland strömten, war nur der spektakulärste Höhepunkt eines besorg- niserregenden Kontrollverlusts, der Europas Flüchtlingspolitik seit Langem prägt.
Es ist daher eine kluge Entscheidung, wenn der Europäische Gerichtshof trotz anderslautender Empfehlungen seiner Generalanwältin auf Vorlage zweier Fälle aus Österreich und Slowenien die geltenden EUAsylregeln bestätigt hat.
Selbst eine Extremsituation wie die Massenflucht von 2015 enthebe EU-Länder, die aus humanitärem Antrieb Flüchtlinge durchreisen lassen, nicht der Verpflichtung, Asylanträge zu prüfen, wenn die Dublin-Verordnung ihnen das als EU-Ersteinreiseland gebietet. Das befand Europas Höchstgericht. Im konkreten Fall dürfen Österreich und Slowenien mehrere Flüchtlinge nach Kroatien zurückschicken, über das diese in die EU gekommen waren. Zugleich ließen die Luxemburger Richter keinen Zweifel daran, dass die Grenzübertritte, da ohne Visum, illegal erfolgten.
Der Richterspruch ist letztlich auch als Urteil über Merkels Flüchtlingspolitik zu verstehen, und man kann ihn nur begrüßen. Hätte der EuGH die europäischen Asylkriterien aufgeweicht, so hätte das nicht nur nachträglich die Rechtlosigkeit legitimiert, die ab Spätsommer 2015 bis zur Schließung der Balkanroute in Europa herrschte. Es hätte wohl auch alle Bemühungen erlahmen lassen, die Oberhoheit über die EU-Außengrenzen D wiederzuerlangen. as bedeutet nicht, dass die Europäer von der Pflicht entbunden sind, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik zu etablieren, die diesen Namen auch verdient.
Dass einzelne Länder wie Italien mit einem dramatisch steigenden Ansturm von Migranten allein gelassen werden, den sie einzig und allein ihrer geografischen Exponiertheit verdanken, ja, dass viele Binnenländer so tun, als ginge sie das alles nichts an, ist ein Skandal. Es hat wesentlichen Anteil an Europas Versagen in der Flüchtlingskrise und beschämt die EU als Gemeinschaft.