Tiefenbohrung im Trump-Kernland
Eine Analyse über den US-Präsidenten und seine Politik, die die Welt verändern wird.
S eit der Amtsübernahme im Jänner wird viel über das Phänomen Donald Trump gerätselt und auch geschrieben. Dabei schlägt der Ton oft um in Polemik und Alarmismus, manchmal auch nur in Spott und Hohn. Gleichsam gibt es aber natürlich auch jene, die den US-Präsidenten und seine Ideen kritiklos bejubeln. Einer, der in dieser Kakofonie einen wohltuend ausgeruhten Ton anschlägt, ist der Journalist Ansgar Graw in seinem hochaktuellen Buch „Trump verrückt die Welt“. Seit 2009 lebt der Korrespondent der Tageszeitung „Welt“in Washington und berichtet über das politische Geschehen in den USA. Natürlich spielt auch er ein wenig doppeldeutig mit dem Wort „verrückt“, aber beim Lesen erschließt sich dann schnell, dass er damit die politische Neuausrichtung der US-Politik unter dem unkonventionellen Republikaner meint. In sein Buch fließen bereits zahlreiche Entscheidungen, Reden, kuriose Twittereien und Enthüllungen ein, die es im ersten Halbjahr der Amtszeit gegeben hat. Um den Präsidenten jedoch richtig einordnen zu können, dringt Graw tief in die Familiengeschichte der Trumps ein, legt das bisherige Leben noch einmal sauber frei und zeigt mit Akribie auch, wie es überhaupt zum politischen Aufstieg des Quereinsteigers kommen konnte. Graw kommt dabei zugute, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Korrespondenten nicht – wie üblich – mit dem Abschied des Vorgängers den Posten gewechselt hat. Er kann auf acht Jahre intensiver Recherche in allen Landesteilen zurückgreifen und ein umfassendes Bild von den Problemen der US-Bürger zeichnen, die den Wahlsieg Trumps gegen Hillary Clinton und die republikanischen Mitbewerber dann doch nicht mehr ganz so unfassbar und überraschen machen.
Denn die Identitätskrise der Vereinigten Staaten, die tiefe Spaltung des Landes, das kränkelnde Wahlsystem, die schwierige Lage der beiden Großparteien und des politischen Apparates insgesamt waren ein idealer Wegbereiter für Trump. Und die Probleme werden auch über ihn hinaus wirken. Deshalb ist das Buch auch ein gutes Sittengemälde der USA insgesamt.