Kleine Zeitung Kaernten

„Politik ist überall“

Mit „The Party“schuf Regisseuri­n Sally Potter britisches Kino in Bestform. Über viele Lügen, den Brexit und die BBC-Vorlage.

- Von Luigi Heinrich, Berlin

DFür viele war der hochkomisc­he, bitterböse Schwarz-Weiß-Film „The Party“der beste Film der heurigen Berlinale. Aber Komödien gewinnen bekanntlic­h selten. Jetzt läuft der Film, ein brillantes Feuerwerk an Dialogen, offiziell in unseren Kinos. Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Sally Potter („Orlando“) kam zur Premiere noch einmal an die Spree. Im „Sofitel“nahm sie sich Zeit für Interviews.

Die britische BBC schuf die Voraussetz­ungen für dieses Projekt. Ist das richtig?

Ja, sie sagten, ich möge etwas für sie schreiben und sie würden das Ergebnis unterstütz­en. Dann begann ich mit zwei Manuskript­en. Das mache ich immer. Wenn ich irgendwo nicht weiterkomm­e, schreibe ich am anderen. Nach und nach kristallis­ierte sich heraus, dass sie „The Party“weniger mochten als die zweite Geschichte. Meine Reaktion: „Sehr schön. Aber ich mache ,The Party‘.“

Warum? Die Geldgeber meinten zur Story: „Was ist denn daaas?“Aber ich ließ das Buch einige Schauspiel­er lesen, und die waren begeistert. Für mich sind Schauspiel­er die besten Drehbuchle­ser. Wenn sie etwas lieben, vergessen sie das Geld. Jeder der sieben Darsteller hat dieselbe Gage erhalten. Das ist bei mir Prinzip. Wir haben dann eine Woche geprobt und zwei Wochen gedreht.

Ihre Geschichte beginnt mit der Party von Janet, einer ehrgeizige­n englischen Politikeri­n, die vor einem Karrieresp­rung steht. Also lädt sie Freunde und Mitstreite­r zur Party ein. Plötzlich macht Ehemann Bill ein brisantes Geständnis. Auch die anderen Gäste offenbaren lang gehütete Ge-

heimnisse. Alles wird infrage gestellt. Und das in 71 Minuten Echtzeit. Normalerwe­ise bevorzugen TV-Anstalten doch 90-Minüter ...

Weiß ich, doch genauso war mir klar, dass ich nichts hinzufügen wollte. Diese 71 Minuten mussten genügen. Es geht ja nicht um das Tempo des Schreibens, ob man nicht noch ein paar Minuten dazuerfind­en könnte, sondern um das Tempo des Sprechens. Und da schien mir jede zusätzlich­e Sekunde zu viel.

Sie erzählen von Lügen, vielen Lügen. Was reizte Sie daran?

Die Hauptfigur, gespielt von Kristin Scott Thomas, ist Politikeri­n. Dennoch ist „The Party“kein politische­s Statement. An sich möchte sie, auch als Politi- kerin, nicht lügen. Überhaupt: Politik ist überall, in jeder Situation unseres Lebens, in jeder Beziehung. Alle klammern sich zunächst an die Wahrheit, aber nach und nach kommen sie – Politiker wie normale Bürger – darauf, wie viel und wie oft sie lügen. In „The Party“bricht faktisch ein Partnersch­afts-Bürgerkrie­g aus.

Irgendwie hat man das Gefühl, dass der Brexit über dem Geschehen schwebt. Hatten Sie das im Sinne?

Als ich das Drehbuch schrieb, gab es den Brexit noch nicht. Erst gegen Ende der Dreharbeit­en. Als das Ergebnis feststand, waren wir alle geschockt, gelähmt und entsetzt. Aber Sie haben recht, mir haben das schon viele Leute gesagt, irgendwie könne man den Brexit riechen.

Wie sieht denn Ihre Position zum Brexit aus? Ganz klar. Ich bin für Europa. Auch weil das Ganze eine Riesenidee für ein friedliche­s Miteinande­r ist. Oder kann sich heute jemand vorstellen, dass es zwischen EU-Staaten je zu einem Krieg kommen könnte? Ich bin mir auch sicher, dass viele Briten gerne zurückrude­rn würden. Jedenfalls ist Großbritan­nien heute ein geteiltes Land. Interessan­t übrigens, dass es die höchste Zustimmung zum Brexit aus Gegenden mit den wenigsten Immigrante­n gab. Offensicht­lich waren die Wähler dort nur von Furcht getrieben.

Sie waren auch Musikerin. Hatte das eigentlich auch Einfluss auf Ihre Tätigkeit als Filmemache­rin?

Auf jeden Fall. Als Musiker lernt man erstens das Zuhören und man bekommt zweitens den Rhythmus des Publikums mit. Damit lernt man, wie man seine Zuschauer und Zuschaueri­nnen „füttern“muss.

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 ??  ?? „The Party“: Satire in Schwarz-Weiß mit Kristin Scott Thomas und Bruno Ganz „Für mich sind Schauspiel­er die besten Drehbuchle­ser“: Sally Potter APA/PICTUREDES­K, FILMLADEN
„The Party“: Satire in Schwarz-Weiß mit Kristin Scott Thomas und Bruno Ganz „Für mich sind Schauspiel­er die besten Drehbuchle­ser“: Sally Potter APA/PICTUREDES­K, FILMLADEN
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