Wie wir gestern online als Erste vermeldeten, wird Philippe Jordan ab 2020 Musikdirektor der Wiener Staatsoper. Eine hervorragende Wahl.
Keine schlechte Woche für Philippe Jordan: Am Dienstag hatte er bei der Premiere von Richard Wagners „Meistersingern von Nürnberg“in der Inszenierung von Barrie Kosky mit zartesten interpretatorischen Feinheiten begeistert. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die CD „21st Century Violin Concertos“von Renaud Capuçon mit ihm und den Wiener Symphonikern einen EchoKlassik-Preis erhält. Am Sonntag servierte der 42-Jährige mit seinen Wienern bei den Bregenzer Festspielen umjubelte Wagner-Wonnen. Und gestern wurde verlautbart, dass er künftig als Musikdirektor der Staatsoper die glanzvollste Position bekleiden wird, die Österreich Dirigenten zu bieten hat.
Der designierte Direktor der Wiener Staatsoper, Bogdan Roˇscˇic´, wird gemeinsam mit seinem Wunschkandidaten 2020 das Amt antreten. Jordan wird dafür seine Posten als musikalischer Direktor der Opéra national de Paris aufgeben, ebenso den des Chefdirigenten der Wiener Symphoniker.
„Als Direktionsmitglied wird Jordan den gesamten musikalischen Bereich des Hauses leiten und strukturell mitgestalten“, hieß es in einer Aussendung. Für die ersten beiden Saisonen seien die mit Jordan besetzten Premieren bereits festgelegt, ebenso stark werde der Fokus aber auf dem Repertoirealltag liegen. „Philippe Jordan zählt heute zu den wenigen bedeutenden Dirigenten, die sich vom
an der Oper zugewandt und noch bewusst den klassischen Weg des Kapellmeisters beschritten haben“, sagt Roˇscˇic´. „Damit steht er in der Tradition der bedeutendsten Musiker, die das Haus geprägt haben.“
Den Titel „Musikdirektor“an der Staatsoper trugen bisher Claudio Abbado (1986–91) und Seiji Ozawa (2002–10). 2010 wurde Franz Welser-Möst ers- ter Generalmusikdirektor, trat aber wegen künstlerischer Differenzen mit Opernchef Dominique Meyer 2014 zurück.
Philippe Jordan freut sich auf seine künftigen Aufgaben in Wien, wo er seit seinem Debüt 1999 mit Lehárs „Lustiger Witwe“57 Mal im Graben stand: „Für jeden dem Musiktheater verbundenen Musiker ist das Haus am Ring mit seiner unvergleichlichen Tradition und dem einzigartigen Orchester eine der spannendsten Herausforderungen, die ihm die Opernwelt bieten kann“, begründete er seine Entscheidung.
Dem gebürtigen Zürcher gelang nach seinen Studien ein Raketenstart als Dirigent. 1998 bis 2002 war er an der Staatsoper Unter den Linden Berlin etwa als Assistent von Daniel BarenBeginn boim tätig. Seine präzise Arbeit, seine unbedingte Verve und die hypnotische Wirkung am Pult machten den polyglotten Künstler bald von den Salzburger Festspielen über Covent Garden in London bis zur Met in New York an allen ersten Adressen begehrt.
Mit erst 27 Jahren war Jordan zum Chefdirigenten des Grazer Philharmonischen Orchesters und des Grazer Opernhauses bestellt worden. Ab der Spielzeit 2001/02 leitete er viel beachtete Produktionen von Verdis „Don Carlos“bis zu Tschaikowskys „Eugen Onegin“. Als die Intendantin Karen Stone, die ihn nach Graz geholt hatte, vorzeitig abging, stand die Grazer Oper just im Kulturhauptstadtjahr 2003 personell, finanziell und strukturell auf tönernen Füßen. Jordans „letzter Hilfeschrei“bei den politisch Verantwortlichen von Stadt und Land verhallte. Der Wiener Musikintendant Roland Geyer, dessen Berufung zum Opernchef Jordan zur Bedingung seines Verbleibs gemacht hatte, kam nicht nach Graz. Also packte Jordan 2004 seine Sachen.
Ein Karriereknick wurde dieser Schritt für den umtriebigen Dirigenten freilich nicht, auch nicht seine für das oft lärmige Metier ungewöhnlich zurückhaltende Art. Wohl nicht zufällig steht als Entrée zu seinem Internetauftritt der Satz: „Stille ist die schönste Musik, die mächtigste und die wohltuendste. Die allergrößte Musik kommt aus der Stille.“