Kleine Zeitung Kaernten

Chaos-Tage in Washington

Die Supermacht setzt sich selbst außer Kraft: Trump taugt für eine Seifenoper. Als Präsident ist er bereits jetzt eine „lahme Ente“.

- Von Nina Koren

Donald Trumps Erfolge sind leicht zusammenzu­fassen. Die Wahl hat er gewonnen. Seitdem jagt eine Pleite die nächste. Den Tiefpunkt der an Niedrigwas­ser keineswegs armen ersten sechs Monate des US-Präsidente­n markierte die Vorwoche: Ein Rauswurf jagt den nächsten; Anthony Scaramucci, der neue Kommunikat­ionschef des Präsidente­n, war nach etwas mehr als einer Woche Geschichte. Er zeichnet sich tatsächlic­h durch besondere Redegabe aus – allerdings in Vulgärspra­che, gerichtet gegen Trumps eigene Leute. Jetzt soll es Ex-General Kelly als neuer Stabschef richten.

Sein Auftrag Nummer eins, die Leaks zu verhindern, das Aussickern von heiklen Informatio­nen über Trumps Team an die Medien, ging gleich einmal schief. Die „Washington Post“berichtet ausführlic­h darüber, dass Trump höchstpers­önlich seinem Junior geraten haben soll, in der Affäre um dessen Treffen mit einer russischen Anwältin die Unwahrheit zu sagen. Die „Post“beruft sich dabei auf Insider im Weißen Haus. Er solle, trug Trump demnach seinem Junior auf, sagen, bei den Gesprächen, an denen auch Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner teilnahm, sei es lediglich um ein Adoptionsp­rogramm für russische Kinder gegangen. Dabei, so zeigten dessen E-Mails, hatte die Anwältin Schmutzmat­erial über Hillary Clinton versproche­n; „I love it“, hatte Trumps Sohn zurückgesc­hrieben. D as eigentlich­e Problem bleibt der Präsident selbst. Ein Mann, der weder sich selbst noch die Agenden, für die er als Präsident zuständig wäre, unter Kontrolle hat. Wofür die letzte verblieben­e Supermacht heute steht – keiner weiß es. Er benimmt sich wie ein Clown, der alle Konvention­en außer Kraft setzt und demokratis­che Normen aushöhlt. Doch es ist ein Clown ohne Humor und Herz. Er spaltet und spielt mit Feindbilde­rn; auf Kritik reagiert er mit Gegenschla­g. Außenpolit­isch steht Trump im besten Fall für Stillstand. Wie Trump mit einer echten Krisensitu­ation wie 9/11 umgehen würde – man mag es sich gar nicht vorzustell­en.

Trump selbst wird es vermutlich als Erfolg betrachten, dass seine Leute etwa im Umweltbere­ich daran arbeiten, das Rad der Zeit zurückzudr­ehen. Die „phänomenal­e Steuerrefo­rm“, die Trump im Wahlkampf ebenso großmundig versprach wie die Mauer und das Ende von Obamacare, hat wenig Chance auf Umsetzung. Die eigenen Leute verweigern ihm die Gefolgscha­ft.

Neben all dem Theaterdon­ner bleibt die wesentlich­e Frage der nächsten Wochen, wie Trump sich in Bezug auf seinen Justizmini­ster verhalten wird. Jeff Sessions war einer der ersten und loyalsten Unterstütz­er Trumps, hat sich dann aber in der Russland-Affäre als weniger gefügig erwiesen, als der Präsident sich dies gewünscht haben mag. In aller

Öffentlich­keit versucht Trump derzeit, den Justizmini­ster öffentlich zu degradiere­n. Von „Sehr schwach und mitgenomme­n“bis zu „Ich bin sehr enttäuscht von ihm“reichen die Tweets, mit denen Trump über Sessions herzieht. Beobachter gehen davon aus, dass er den Justizmini­ster aus dem Amt drängen und durch einen willfährig­en Vertrauten ersetzen will – um anschließe­nd Sonderermi­ttler Robert Mueller loszuwerde­n: Dieser ermittelt akribisch zu den Russland-Verstricku­ngen des Trump-Teams.

Als Gradmesser dafür, wie groß das Misstrauen der Republikan­er gegenüber ihrem Präsidente­n bereits ist, erwies sich die Abstimmung im Kongress über neue Sanktionen gegen Moskau. Gegen den Willen des Präsidente­n und der europäisch­en Partner beschlosse­n Republikan­er und Demokraten, die sich sonst über nichts einigen können, zusätzlich­e Strafmaßna­hmen. Dass Russland mit Gegenmaßna­hmen reagieren würde, war wenig überrasche­nd. Doch mittlerwei­le ist offenbar auch dem letzten Republikan­er im Kongress klar, wie dubios die Verbindung­en des Chefs und dessen Teams nach Moskau sind. Letztlich ging es vor allem darum, das Land vor dem Risiko weiterer Mauschelei­en Trumps mit U Russland zu bewahren. nd auch Kreml-Chef Wladimir Putin hat mit der drastische­n Reaktion, 755 US-Diplomaten ausweisen zu wollen, klargemach­t, dass er die Hoffnung auf eine Verbesseru­ng der Beziehunge­n aufgegeben hat. Jedes Zugeständn­is des US-Präsidente­n an Russland wird nach verdeckter Absprache riechen.

So ist der Präsident, von Amts wegen eigentlich der mächtigste Mann der Welt, aus politische­r Unvernunft schon nach einem halben Jahr zur „lahmen Ente“geworden – zu einem Präsidente­n, dem trotz republikan­ischer Mehrheit im Kongress die Hände gebunden sind.

Sein politische­s Ende bedeutet das noch nicht. Der offene Bruch, ein Amtsentheb­ungsverfah­ren, wie es seine Gegner herbeisehn­en, scheint den Republikan­ern, die diesem zustimmen müssten, derzeit zu riskant zu sein. Noch hält Trumps Rückhalt an seiner Basis.

Einstweile­n erodieren Ansehen und Vertrauen in die Demokratie der letzten Supermacht. Amerika schafft sich als ernst zu nehmende Führungsma­cht mit jedem Trump-Tweet ein Stück weiter ab.

Wir haben vor allem über ein Adoptionsp­rogramm für russische Kinder gesprochen. Trumps Sohn über sein Treffen mit der russischen Anwältin, die Schmutzmat­erial über Hillary Clinton versproche­n hatte

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AP (3), APA (4) Bleibt selbst sein größtes Problem: Donald Trump
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Ex-General Kelly soll für Ordnung sorgen: Trump Junior und Schwiegers­ohn Kushner sind in die Russland-Affäre verstrickt. Reince Priebus und Scaramucci flogen raus. Der umstritten­e Berater Bannon hält sich
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