Aufs Atmen fast vergessen
Der Österreicher Lucas Auer (22) drehte gestern auf dem Hungaroring seine ersten Runden im Force-India. Für ihn eine aufregende Erfahrung. AM SCHAUPLATZ.
Es ist recht ruhig rund um den Hungaroring, es ist kaum etwas zu spüren vom heißen Grand-Prix-Sonntag, kaum Verkehr auf den Zufahrtsstraßen, die sonst so verstopft sind. Völlig klar also, dass man auch auf der „BernieEcclestone-Road“, einst eine geheime Zufahrt für Bonzen und Politiker, sich mutterseelenalleine dem Haupteingang des Hungarorings nähert. 1986, als die Formel 1 erstmals den Eisernen Vorhang öffnete und in Ungarn ihren ersten GP im Ostblock bestritt, hatten die Ungarn eine zum Ring führende Straße nach dem ehemaligen Formel-1-Zampano benannt. Die Schilder sind längst abgenommen.
Und es ist vor allem auch ruhig auf den Tribünen. Nur ein paar versprengte HardcoreFans ließen sich am Dienstag auch die Formel-1-Testfahrten gleich nach dem Grand-PrixWochenende nicht nehmen und hockten sich sogar bei 38 Grad im Schatten auf die blauen Tribünenstühle. Schließlich galt freie Platzwahl.
Die Ruhe passt ganz gut zur augenblicklichen Tonlage der modernen Turbo-Hybrid-Motoren der Formel 1. Das Fahrerlager zeigte sich ganz hochoffiziell, alle Hospitality-Aufbauten blieben stehen. Nur die schweren Transportlastwagen der Teams, die gewöhnlich weit abseits geparkt sind, durften etwas näher an die Rennstrecke rücken.
Das ohnehin zu kleine und mittlerweile in die Jahre gekommene Media-Center war recht gut besucht. Die meisten Journalisten warteten wohl auf eine neuerliche Probefahrt von Robert Kubica. Der aber erst heute in den Renault steigt, den von der FIA vorgeschriebenen Aus-
stiegstest aus dem Cockpit aber einwandfrei bewältigen konnte. Und eine Handvoll Medienleute interessierte sich vielleicht auch für Lucas Auer.
Erstmals Klien seit in 2010 Abu (Christian Dhabi) drehte gestern wieder ein Österreicher am Lenkrad eines Formel-1-Boliden. Um 14.00 Uhr war Lucas Auer an der Reihe, das Force-India-Cockpit vom russischen Formel-3-Piloten Nikita Mazepin zu übernehmen. Der Start verlief noch etwas stockend: Um 14.20 Uhr rollte Auer dann aus der Box, hi- naus auf den Hungaroring. Mehr als eine Installationsrunde ging sich nicht aus.
Die leichtesten Testtage hat sich der Neffe von Gerhard Berger nicht ausgesucht. Ausgerechnet in der ärgsten Mittagshitze, die Quecksilbersäule näherte sich der 40-Grad-Marke (Asphalttemperatur: 55 Grad, im Cockpit gefühlte 60 Grad), ging es richtig zur Sache. Runde um Runde verbesserte Auer die Rundenzeit. 1:24,511 spuckte der Zeitencomputer für die erste volle Runde aus. Dann folgte Schritt für Schritt 1:23,208, 1:22,9, 1:22,4, 1:21,8, 1:21,4 – und 1:20,563, das war die schnellste Runde, die Auer in den Asphalt brannte. Damit klassierte sich Auer auf Rang neun. Auf Nikita Mazepin fehlten dem Tiroler wohl rund sechs Zehntel. „Da geht schon noch etwas, aber ich wollte nichts kaputt machen“, sagte Lucas Auer nach den ersten Runden. „Für mich ist es einmalig, diese Chance bekommen zu haben. Die ersten Runden waren so aufregend, dass ich fast aufs Atmen vergessen habe.“Heute fährt Auer am Vormittag, da will er eine schnelle Runde einlegen.