Rückkehr zu altem Rezept
Kanzler Kern rief den Regierungspartner als Feindbild aus und überzeugte damit die eigenen Leute. Das Erfolgsmuster des Klassenkampfes soll die SPÖ beflügeln.
Der SPÖ-Parteivorsitzende hat die Erwartungen der eigenen Genossinnen und Genossen beim Bundesparteirat erfüllt. Christian Kern bewies (angesichts der Turbulenzen der vergangenen Tage) Gelassenheit, zeigte Emotion, legte den Finger in die richtigen Wunden. Er machte deutlich, dass er den Wahlkampfzug zieht, dass er aber ohne die Zusatzmaschinen der Funktionäre auf verlorenem Posten steht.
„Mir ist es lieber, wir sind in den Umfragen hinten, das spornt unsere Leute mehr an“, formulierte ein wahlkampferprobter Sozialdemokrat dieser Tage eine altbekannte Weisheit. Daraus, dass die bevorstehenden Wochen kein Spaziergang werden, machte der Kanzler kein Hehl.
Was die SPÖ frühzeitig befürchtet hatte, tritt nun ein: Der Herausforderer Sebastian Kurz geht in aktuellen politischen Fragen auf Tauchstation, entzieht sich konsequent dem Nahkampf mit den angriffslustigen Genossen. Das macht es – abgesehen von den eigenen Fehlern des Wahlkampfmanagements – schwierig, sichtbar zu werden und in der öffentlichen Wahr- nehmung an Terrain aufzuholen.
Das Programm entspricht in weiten Zügen dem Plan A, mit dem Kern seit Jänner durch die Lande zieht. Was neu ist, ist der Slogan, der aufs Erste überrascht hatte: „Ich hol mir, was mir zusteht.“Geschickt gewählt – mit dem Fokus auf das Ego der Wählerinnen und Wähler.
Oder, um es mit den Worten der Freiheitlichen zu formulieren: Unsere Politik „für unsere Leut’“.
Der Unterschied: Das Feindbild sind nicht die Zuwanderer, sondern „die da oben“. Frei nach dem Erfolgsmuster des Klassenkampfes. Es geht gegen die Multimillionäre, die Konzerne, die Millionenerben – da ist schnell jemand dabei.
Geschickt differenziert Kern zwischen denen, die diese in seinen Augen vertreten, also der ÖVP, und den „normalen“Wirtschaftstreibenden, denen er einen „Pakt für Österreich“anbietet. Die da unten (und da fühlt sich gleich auch ein kleiner oder mittlerer Wirtschaftstreibender mit im Boot) gegen die da oben – ein Konzept, das zuletzt im Falle Trumps oder Macrons ganz gut funktionierte.
Kurz und die ÖVP werden reagieren müssen. Das Flüchtlingsthema allein ist zu wenig, und auf dem Feld der Sicherheit hat sich die Kanzlerpartei dazu entschlossen, dem Regierungspartner Paroli zu bieten: Sie schickt den auf die Bevölkerung sympathisch und kompetent wirkenden Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil als Gesicht der SPÖ gegen den Feldmarschall der Volkspartei, Innenminister Wolfgang Sobotka, E ins Rennen. s ging jetzt einmal darum, die eigenen Leute zu überzeugen. Den Kampf für die Gerechtigkeit auszurufen, ist ein taugliches Mittel. Entscheidend ist, wie glaubwürdig die SPÖ als LangzeitRegierungspartei damit beim Wahlvolk ist. Denn vieles von dem, was als ungerecht beschrieben wird, hat sie selbst zumindest zugelassen.