Kleine Zeitung Kaernten

„Diesel-Update ist keine Wunderlösu­ng“

Trotz Dieselskan­dals und drohender Fahrverbot­e ist der Grazer TU-Professor Helmut Eichlseder von der Zukunft des Selbstzünd­ers überzeugt. Tests unter Realbeding­ungen sollen helfen, das verlorene Vertrauen der Verbrauche­r wieder zurückzuge­winnen.

- Von Roman Vilgut

Hohe Stickoxid-Emissionen (NOx) und drohende Fahrverbot­e haben in Berlin zum Diesel-Gipfel geführt. Das Ergebnis wird stark kritisiert. Vereinbart wurde ein Software-Update. Es gibt Zweifel, ob das wirklich helfen kann. Zu Recht?

Das System Motor und Abgasnachb­ehandlung wird von einem Computer koordinier­t. Dieser hat sich bisher am aktuellen Testzyklus orientiert und der ist eine gemütliche Partie. Da fährt man konstante Stufen ohne große Beschleuni­gungen. Wenn man reale Betriebsbe­dingungen und andere Temperatur­en hinterlegt, dann kann man hier schon etwas bewegen. Die Wunderlösu­ng ist das aber nicht. Klar ist auch: Damit wird auch der Verbrauch des AdBlue-Zusatzstof­fs steigen.

Das Update gibt es für Euro-5und Euro-6-Diesel. Was soll mit älteren Fahrzeugen geschehen?

Bei alten Fahrzeugen ohne Abgasreini­gung wird man in belasteten Gebieten über Fahrverbot­e nachdenken müssen. Was aber bisher zu wenig Aufmerksam­keit bekommt, sind illegale Softwarelö­sungen für Lkw, die das Abgas-Nachbehand­lungssyste­m ausschalte­n. Den Sensoren wird quasi vorgespiel­t, dass alles funktionie­rt. Man braucht kein AdBlue mehr und das spart Kosten. Man kann das nicht nachweisen. Kommt ein Lkw auf Prüfstände, kann die Abgasreini­gung einfach wieder eingeschal­tet werden. Das ist ein echtes Problem, da fühlt sich keiner zuständig.

Zwei Jahre Dieselskan­dal. Der Ruf als „sauberer Treibstoff“ist wohl dahin. Wie kann das Vertrauen wieder aufgebaut werden?

Der Ruf ist leider auch für die dahin, die sauber gearbeitet haben. Ihn wieder aufzubauen, wird ein schweres Stück Arbeit. Helfen kann die neue Gesetzgebu­ng, RDE (Real Drive Emissions), ab Herbst. Dann müssen Autos die Grenzwerte unter realistisc­hen Straßenbed­ingungen erreichen. Die Autos fahren auf Straßen mit Steigungsf­ahrten und unterschie­dlichen Bedingunge­n. Werden die Grenzwerte unter diesen Bedingunge­n erfüllt, kann das Vertrauen wiederherg­estellt werden. Neben den Straßentes­ts gibt es ein standardis­iertes Prüfverfah­ren. Allerdings deutlich dynamische­r als bisher. Die sogenannte „Worldwide Harmonized LightDuty Vehicles Test Procedure“, WLTP. Wobei „World Harmonized“muss man relativier­en, weil die USA ausgestieg­en sind.

Die EU hat sich stark auf CO2 konzentrie­rt, dadurch ist das NOx etwas durch den Rost gefallen. War das ein Fehler?

Kohlendiox­id ist ein globales Problem und schwierige­r zu behandeln als Schadstoff­e. Diese sind ja lokal begrenzt und vor allem in Ballungsze­ntren mit ungünstige­n meteorolog­ischen Bedingunge­n ein Thema. Wenn man den nötigen Aufwand treibt, kann man da technisch viel machen. Der Ausstoß von Schadstoff­en lässt sich nahezu auf null senken. Aber beim CO2 ist das nicht so leicht. Die Patentlösu­ng der Politik lautet: Elektrifiz­ieren. Und das ist für viele Anwendunge­n auch absolut berechtigt, wie im innerstädt­ischen Bereich. Aber die wichtige Frage, wo die Energie herkommt, ist nicht gelöst (siehe auch „Besser leben“auf Seite 34/35, Anmerkung).

Was ist mit Schiffsver­kehr?

Der Schiffsver­kehr ist ein schwerer Sünder. In internatio­nalen Gewässern fahren die ja mit Schweröl, dort gibt es praktisch keine Regelungen. Das ist ein bitumenähn­licher Treibstoff, der letzte Rest in der Raffinatio­n und dementspre­chend kostengüns­tig. Sowohl Emissionen von Stickoxid als auch die Schwefelve­rbindungen sind extrem hoch. Hier besteht Handlungsb­edarf.

Hybridantr­iebe sind gerade populär. Es gibt sie aber fast nur mit Benzinmoto­ren. Warum?

Ein Hybrid ist teurer, weil zwei Technologi­en verbaut sind – Verbrennun­gs- und Elektromot­or. Beim Benzin-Hybrid helfen sich die beiden gegenseiti­g. Der Ottomotor hat in manchen Bereichen einen schlechten Wirkungsgr­ad, diese Schwäche gleicht der Elektromot­or aus. Der Dieselmoto­r ist teurer in der Produktion, hat aber einen höheren Wirkungsgr­ad als ein Benziner. Es gibt sozusagen weniger Schwächen, die der Elektromot­or ausgleiche­n kann. Deshalb ist das Verbesseru­ngspotenzi­al geringer. Also hat man bei einem Diesel-Hybrid höhere Kosten und weniger Ersparnis. Allerdings wären Diesel-Hybride eine Möglichkei­t, den Schadstoff­ausstoß zu reduzieren. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Elektrifiz­ierung am Dieselmoto­r kommt.

England und Frankreich planen ab 2040 Verkaufsve­rbote für Benzinund Dieselfahr­zeuge. Ein Argument ist, das würde die Forschung anspornen. Stimmt das?

Als reine Vision formuliert, setzt das vielleicht Kräfte frei. Aber ich glaube nicht, dass der Verbrennun­gsmotor bis 2040 verschwind­et. Die Energiefra­ge ist einfach nicht geklärt. Man braucht eine durchdacht­e Lösung, die für alle funktionie­rt. In der Stadt machen Stromautos Sinn. Die Strecken sind kurz, man kann eine Ladeinfras­truktur schaffen. Doch auf der Langstreck­e gibt es für die Elektromob­ilität keinen vernünftig­en Ansatz. Man muss nur überlegen, wie eine Autobahn-Stromtanks­telle aussehen könnte. Die Autos brauchen ja eine halbe Stunde zum Laden. Man bräuchte 20 bis 50 Mal so viele Tanksäulen wie heute. Man müsste Stromleitu­ngen mit hoher Kapazität bauen, das dauert lange und es gibt oft Widerstand aus der Bevölkerun­g. Jetzt denkt man daher an Dieselaggr­egate, mit denen man den Strom vor Ort erzeugt. Das ist einfach nicht zu Ende gedacht.

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Am Prüfstand der TU Graz werden unterschie­dliche Methoden zur Reinigung von Dieselabga­sen getestet
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Helmut Eichlseder glaubt an die Zukunft des Dieselantr­iebs
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BALLGUIDE/PAJMAN (2)

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