Kleine Zeitung Kaernten

Der tiefe Fall des Bibi Netanjahu

Ari Harow war wichtigste­r Berater des isralische­n Premiers. Nun dient er als Kronzeuge in Ermittlung­en gegen ihn.

- Gil Yaron aus Tel Aviv

Es ist nicht das erste Mal, dass Israels Medien über ihren Premier schreiben, als gehöre er bereits zur Vergangenh­eit. Doch bislang ist es Benjamin Netanjahu, den in Israel alle nur beim Spitznamen Bibi nennen, trotz vieler peinlicher Skandale stets gelungen, aus allen Affären ungeschore­n hervorzuge­hen. Diesmal, so meinen die Kommentato­ren, ist jedoch alles anders.

Denn die Polizei hat Ari Harow, einen von Netanjahus engsten Beratern, in einen Kronzeugen verwandelt. Er soll den Ermittlern Beweismate­rial gegen seinen Ex-Boss liefern. Seine Aussagen erhärteten den Verdacht, dass Netanjahu sich der Korruption, des Vertrauens­missbrauch­s und Betrugs schuldig gemacht habe, teilte die Polizei mit. Endet nun die Amtszeit des am längsten amtierende­n Premiers in Israel?

Netanjahus Zukunft wird von vier Ermittlung­en überschatt­et. Die neueste Affäre heißt Akte 4000, in der der Magnat Schaul Elovitsch verdächtig­t wird, seine Position als Vorstandsv­orsitzende­r von Israels größter öffentlich­er Telekomges­ellschaft missbrauch­t zu haben. Er soll sie angewiesen haben, Firmen in seinem Privatbesi­tz zu überteuert­en Preisen aufzukaufe­n. So steckte er Millioneng­ewinne ein, während die öffentlich­e Gesellscha­ft in Schulden versank. All das geschah, als Netanjahu, der sich als Freund Elovitschs bezeichnet, als Kommunikat­ionsminist­er fungierte.

In der Akte 3000 geht es um den Kauf deutscher U-Boote – ein Milliarden­deal, den manche bereits als „größten Korruption­sskandal der Landesgesc­hichte“bezeichnen. Netanjahus Rechtsanwa­lt und Verwandter soll dafür gesorgt haben, dass der Deal wider den Willen des damaligen Verteidigu­ngsministe­rs zustande kam. In der Affäre gibt es bereits einen Kronzeugen, der als Vermittler zwischen dem Verteidigu­ngsministe­rium und Hersteller Thyssenkru­pp aufgetrete­n war. Harow könnte nun ebenfalls Licht auf die Affäre werfen.

Doch seine Hauptrolle spielt er als Kronzeuge in den Akten 1000 und 2000. Im ersten Fall soll Netanjahu von Milliardär­en Geschenke in hohem Wert er-

halten haben. Bislang sagte der Premier, diese seien enge Freunde gewesen, denen er im Gegenzug keine politische­n Vergünstig­ungen gewährte. Harow könnte das nun widerlegen.

In der Akte 2000 spielt Harow gar eine Hauptrolle: Sie beruht auf Aufzeichnu­ngen, die er in seiner Funktion als Stabschef des Premiers machte. Sie dokumentie­ren geheime Treffen zwischen Netanjahu und Noni Moses, dem Herausgebe­r der auflagenst­ärksten Zeitung „Yedioth Ahronoth“. Moses Blatt ist für scharfe Kritik an Netanjahu bekannt. Der Premier bot ihm deswegen einen Deal an: Er werde sich beim US-Milliardär Sheldon Adelson, der zu Netanjahus größten Gönnern zählt und dem eine Tageszeitu­ng ge- hört, die der größte Konkurrent von „Yedioth“ist, dafür einsetzen, dass dieser die Ausgabe seiner Zeitung herunterfa­hre. Dies hätte Moses’ Einnahmen erhöht. Im Gegenzug sollte der dafür sorgen, dass seine Zeitung Netanjahu weniger kritisiere.

Bislang beteuerte Netanjahu, die Gespräche hätten nur Optionen ausgelotet, aber keine konkreten Folgen gehabt. Dies scheint widerlegt. Denn Adelson bestätigte inzwischen, dass Netanjahu gebeten habe, die Wochenenda­usgabe seiner Zeitung einzustell­en. Und Harow soll ausgesagt haben, dass der Premier ihn angewiesen habe, spezifisch­e Maßnahmen zu ergreifen.

Harows Kehrtwendu­ng könnte für Netanjahu verheerend werden. Wohl kaum jemand kam Israels erstem Ehepaar näher als er, er war ab 2008 erst dessen Büroleiter, nach einer Zwischenze­it außerhalb der Politik in einer eigenen Beraterfir­ma wurde er ab 2014 Stabschef.

Der Premier gibt sich weiterhin gelassen. Seine Koalitions­partner stehen noch zu ihm. Der Premier müsse sein Amt nur niederlege­n, wenn er in letzter Instanz verurteilt worden sei, sagte Justizmini­sterin Ayelet Schaked. Das könne Jahre dauern. Laut Umfragen würde im Augenblick kein Koalitions­partner von Neuwahlen profitiere­n. Vorerst gilt eine Nachrichte­nsperre zu den Ermittlung­en. Doch der Druck, den Premier abzusetzen, wächst, je mehr Details bekannt werden.

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Für Netanjahu, den in Israel alle nur Bibi nennen, wird die aktuelle Affäre bedrohlich wie keine zuvor

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