Höchste Sprachkunst und ein Selbstversuch
Von „Zickzack-zuckenden Kuckucks-Spiralen“und dem „Schwarzweißfoto einer Frau in weißer Unterwäsche“. Nicht zum raschen Verzehr geeignet, aber dafür äußerst nachhaltig: neue Bücher von Oswald Egger und Lucas Cejpek.
In Oswald Eggers neuem Buch liest man Sätze wie „Ich werde die Stube mit Erlenholzscheiterchen heizen“. Aber auch: „Paudel, mit Mengkorn bollernde Knucke-Bolzen“und „Mein Bauch zeigt weder Spund noch Luke, das Faß muß ein Fuß sein“(alles mit ß).
Der Südtiroler ist, das hat er oft bewiesen, ein eigenwilliger Sprachkünstler, einer der eigenwilligsten. Diesmal entführt er in das „Val di Non“, das Nonstal, den Aufzeichnungen von dessen Durchquerungen stellt das Buch zwei Motti voran. Ein eigenes – „Ich singe, also bin ich, singe ich“– und eines von Juan de la Cruz, dem spanischen Mystiker: „... nichts, nichts, nichts, nichts, nichts, nichts, und auf dem Berge nichts.“
Egger singt natürlich nicht das Nichts. Ganz im Gegenteil. Auf den 200 Seiten des vom Autor selbst wunderschönst gestalteten Buchs entwirft dieser vielmehr verbal und grafisch einen ganzen Kosmos. Im Nichts-Tal wimmelt es nur so von Wesen und Dingen, die in „interimen Lückenräumen“zu entdecken sind, so „maskenhaft kauzige Sprenkel, Fasern und lockere Kiespartikel“. „Sinterne Marmoriermuster, Schnörkel-, Schlitz- und Sternornamente, Zickzack-zuckende Kuckucks-Spiralen, meteorartige, Eilinien-rotierende Glutstreifen“geraten ins Sehfeld.
Für die soghaften Beschreibungen vermeintlichen Nichts reicht vorhandenes Vokabular nicht aus. Das Instrument Sprache wird neu erfunden, geschliffen, geschärft, einem lustvollen, manchmal bizarren Re-Design unterzogen. Das Ergebnis ist eine intellektuelle und sinnliche Erfahrung, die ihresgleichen sucht.
Diese Doppelqualität (Intellektualität und Sinnlichkeit) ist auch dem neuen Buch von Lucas Cejpek zu attestieren. Der Wiener, der 2014 mit „Unterbrechung. Burn Gretchen“einen brillanten Text vorlegte, unternimmt einen „Selbstversuch“(so der Untertitel). Cejpeks Nichts ist die Farbe Weiß. Sie ist ein Zentrum der kurzen, von dramatischen Einschüben unterbrochenen Prosatexte eines individuellen Lexikons mit Personal von Marina Abramovic´ bis Peter Zumthor.
Das zweite Zentrum der individuellen Weltbeschreibung ist (wie in „Val di Non“) der 60jährige Autor selbst, dessen kreative Kraft. Allerdings ist Cejpeks Schreiben viel stärker von einem kulturellen Umfeld gespeist, in dem sich Leser auf die eine oder andere Weise wiedererkennen (können). Etwa „auf der Place de la Cathédrale in Colmar“, wo „ein Werbeständer mit dem Schwarzweißfoto einer Frau in weißer Unterwäsche“steht. Oswald Egger mutet anderes zu: „Staub kocht in dicken Wolken über die Kolosse und begrub die dampfenden Ungestalten in seinem Mulm.“