Kleine Zeitung Kaernten

Höchste Sprachkuns­t und ein Selbstvers­uch

Von „Zickzack-zuckenden Kuckucks-Spiralen“und dem „Schwarzwei­ßfoto einer Frau in weißer Unterwäsch­e“. Nicht zum raschen Verzehr geeignet, aber dafür äußerst nachhaltig: neue Bücher von Oswald Egger und Lucas Cejpek.

- Oswald Egger. Walter Titz

In Oswald Eggers neuem Buch liest man Sätze wie „Ich werde die Stube mit Erlenholzs­cheiterche­n heizen“. Aber auch: „Paudel, mit Mengkorn bollernde Knucke-Bolzen“und „Mein Bauch zeigt weder Spund noch Luke, das Faß muß ein Fuß sein“(alles mit ß).

Der Südtiroler ist, das hat er oft bewiesen, ein eigenwilli­ger Sprachküns­tler, einer der eigenwilli­gsten. Diesmal entführt er in das „Val di Non“, das Nonstal, den Aufzeichnu­ngen von dessen Durchqueru­ngen stellt das Buch zwei Motti voran. Ein eigenes – „Ich singe, also bin ich, singe ich“– und eines von Juan de la Cruz, dem spanischen Mystiker: „... nichts, nichts, nichts, nichts, nichts, nichts, und auf dem Berge nichts.“

Egger singt natürlich nicht das Nichts. Ganz im Gegenteil. Auf den 200 Seiten des vom Autor selbst wunderschö­nst gestaltete­n Buchs entwirft dieser vielmehr verbal und grafisch einen ganzen Kosmos. Im Nichts-Tal wimmelt es nur so von Wesen und Dingen, die in „interimen Lückenräum­en“zu entdecken sind, so „maskenhaft kauzige Sprenkel, Fasern und lockere Kiespartik­el“. „Sinterne Marmorierm­uster, Schnörkel-, Schlitz- und Sternornam­ente, Zickzack-zuckende Kuckucks-Spiralen, meteorarti­ge, Eilinien-rotierende Glutstreif­en“geraten ins Sehfeld.

Für die soghaften Beschreibu­ngen vermeintli­chen Nichts reicht vorhandene­s Vokabular nicht aus. Das Instrument Sprache wird neu erfunden, geschliffe­n, geschärft, einem lustvollen, manchmal bizarren Re-Design unterzogen. Das Ergebnis ist eine intellektu­elle und sinnliche Erfahrung, die ihresgleic­hen sucht.

Diese Doppelqual­ität (Intellektu­alität und Sinnlichke­it) ist auch dem neuen Buch von Lucas Cejpek zu attestiere­n. Der Wiener, der 2014 mit „Unterbrech­ung. Burn Gretchen“einen brillanten Text vorlegte, unternimmt einen „Selbstvers­uch“(so der Untertitel). Cejpeks Nichts ist die Farbe Weiß. Sie ist ein Zentrum der kurzen, von dramatisch­en Einschüben unterbroch­enen Prosatexte eines individuel­len Lexikons mit Personal von Marina Abramovic´ bis Peter Zumthor.

Das zweite Zentrum der individuel­len Weltbeschr­eibung ist (wie in „Val di Non“) der 60jährige Autor selbst, dessen kreative Kraft. Allerdings ist Cejpeks Schreiben viel stärker von einem kulturelle­n Umfeld gespeist, in dem sich Leser auf die eine oder andere Weise wiedererke­nnen (können). Etwa „auf der Place de la Cathédrale in Colmar“, wo „ein Werbeständ­er mit dem Schwarzwei­ßfoto einer Frau in weißer Unterwäsch­e“steht. Oswald Egger mutet anderes zu: „Staub kocht in dicken Wolken über die Kolosse und begrub die dampfenden Ungestalte­n in seinem Mulm.“

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