Kleine Zeitung Kaernten

Der Blitz mag das Gewitter nicht mehr

- Michael Schuen

Man mochte es nicht glauben. Usain Bolt war am Start – und nicht der Sieger. Der „Blitz“, und das bedeutet sein Name auf Deutsch, hatte erstmals nicht als Erster im Ziel einer großen Meistersch­aft eingeschla­gen. Die größte Karriere aller Zeiten der Leichatath­letik geht doch nicht nur golden zu Ende, auch wenn Bronze sie um eine Nuance erweitert und keinesfall­s schlechter macht. Denn: „Bolt ist auf dem Mars gelandet, dort müssen wir auch hinkommen.“Das sagte einst jener Mann, der ihn in London geschlagen hat: Justin Gatlin. Der ist sieben Jahre älter als Bolt selbst – so gesehen hätte der Jamaikaner noch Zeit genug, die Welt zu verzaubern. Mit der Show, die dank ihm Einzug in die Sprint-Welt hielt, und seinem Charisma, die seine Leistungen veredelten. Auch wenn ein Blick auf die Daten bestätigt: Seit Jahren nähert sich der „Übermensch“dem Rest der Welt an, nicht umgekehrt. Seine eigenen Fabelzeite­n – die 9,58 Sekunden über 100 Meter und die 19,19 Sekunden über die 200 Meter, beide gelaufen im Jahr 2009 – waren zuletzt auch für ihn unerreichb­ar. Er leidet unter einer Verkrümmun­g des Rückgrats, die ihn verletzung­sanfällig macht. Eine Schwäche, die ihm das scheinbare Fliegen zu neuen Ufern selbst zum Bergsprint machte. Bisher hatte er diesen Berg immer genommen, er war, wie er selbst sagte, zur „Legende“geworden. Doch hatten ihn Erfolg und Popularitä­t fast wirklich zum Mars reisen lassen. Er konnte seine Hotelzimme­r nicht mehr verlassen – zu groß wäre der Aufruhr gewesen. Die Sehnsucht nach einem – normalen – Leben konnten auch seine Traumgagen von mehr als 30 Millionen Dollar pro Jahr nicht mehr stillen. Usain Bolt, stets unter Dopingverd­acht, aber niemals positiv getestet, will wieder Erdenbürge­r sein. Er will nicht mehr trainieren (müssen), er will feiern, ein normales Leben führen. Und er will nicht, wie viele andere, als ehemalige Legende durch die Welt touren, vorgeführt wir ein seltenes Tier. Der Blitz hat genug vom Blitzlicht­gewitter, er sehnt sich nach Alltag. Im Schritttem­po.

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