Kleine Zeitung Kaernten

„So klein ist Österreich gar nicht“

INTERVIEW. Seit einer Woche ist Diplomat Emil Brix Direktor der Diplomatis­chen Akademie in Wien. Ein Gespräch über Österreich­s Image in der Welt, vorsichtig­e Außenpolit­ik und ausbleiben­de Reformen.

- Von Christina Traar

Herr Brix, wie muss man Diplomaten ausbilden, damit sie ein so kleines Land wie Österreich repräsenti­eren können?

EMIL BRIX: So klein ist Österreich gar nicht. Die Ausbildung unterschei­det sich kaum von jener in großen Ländern. Die Grundregel­n der Diplomatie sind überall gleich – vermitteln, Vertrauen herstellen und verhandeln. Was sich aber unterschie­det: Man muss schauen, wie man Österreich in der Welt positionie­ren kann. Dabei wird natürlich besonders auf „soft power“gesetzt, also auf weiche Qualitäten. Wir sind eine Kulturnati­on. Das ist unser größtes Kapital und das muss man als Diplomat auch herzeigen.

Was assoziiert die Welt mit Österreich? „Sound of Music“? Das kommt natürlich als Erstes und die Menschen sind überrascht, wenn sie hören, dass dieses Musical bei uns vielfach unbekannt ist. Außen- und Fremdwahrn­ehmung eines Landes unterschie­den sich eben oft. Wenn diese beiden aber zu weit auseinande­rliegen, ist das nicht gut. Die Aufgabe eines Diplomaten ist es also auch, das Außenbild nach innen zu vermitteln.

Wie erklären Sie Österreich jemandem, der es nicht kennt? Mozart, Freud, die Donau und die Alpen helfen dabei enorm. Traditione­ll spricht man über Kultur und die landschaft­lichen Schönheite­n. Und man erwähnt bekannte Persönlich­keiten wie Arnold Schwarzene­gger, Conchita Wurst oder Felix Baumgartne­r. Dass man den Letzteren kennt, ist aber, glaube ich, ein vorübergeh­endes Phänomen.

Welches Bild hat Österreich für Sie im Herbst 2015 abgegeben, als Tausende Flüchtling­e über die Grenze kamen? Ich war zu dieser Zeit Botschafte­r in Moskau und habe mich schon gefragt, was da passiert. Ich glaube, dass Österreich damals richtig gehandelt hat, als man in einer ersten Reaktion Mitgefühl gezeigt hat. Es hat aber meiner Meinung nach zu lange gedauert, bis man realisiert hat, dass eine europäisch­e Lösung eine Illusion ist und man nach nationalen Lösungen suchen sollte, um mit den Ankommende­n umzugehen.

Widersprec­hen nationale Lösungen nicht auch dem Sinn eines geeinten Europas? Damit meine ich, dass Staaten wie Österreich viel zu selten ihr nationales Interesse formuliere­n, bevor sie ihre außenpolit­ische Linie fixieren. Ich hatte immer das Gefühl, dass wir schon den Konsens suchen, bevor wir den Konflikt kennen. Was haben wir mit dieser Haltung zur Lebensfähi­gkeit der Europäisch­en Union beigetrage­n? Offen gesagt: Ich sehe nicht sehr viel.

Was hält Österreich davon ab, seine Positionen zu vertreten? Die eigene NS-Vergangenh­eit? Das hat sicher auch damit zu tun. Ich glaube aber, dass wir gerade deshalb die Verantwort­ung haben, aktiv gute und realitätsn­ahe außenpolit­ische Beiträge zu liefern.

Ich hatte immer das Gefühl, dass wir schon den Konsens suchen, bevor wir den Konflikt kennen.

Also mehr „Austria first“für Österreich­s Europapoli­tik? Ja, ich würde sagen: „Austria first“und dann erst „Europe first“. Man sollte schlicht seine eigene Position vertreten. Es heißt ja, Österreich ist dem Größenwahn und dem Minderwert­igkeitsgef­ühl immer gleich nahe. Da ist schon etwas Wahres dran. Wir sind kein Habsburger­reich mehr und haben deshalb offenbar immer noch Phantomsch­merzen. Gleichzeit­ig machen wir uns oft kleiner, als wir sind. Aber das ändert sich ja gerade.

Inwiefern? Seit ein, zwei Jahren weist Österreich aktiv auf offene Wunden in Europa hin und tritt deutlich kantiger auf. Das halte ich für richtig. Und die Außenpolit­ik des Landes ist erstmals sogar Teil des Wahlkampfe­s.

Wegen Außenminis­ter Sebastian Kurz?

Der spielt hier sicherlich eine zentrale Rolle. Auf den wird man im Ausland im Übrigen auch sehr häufig angesproch­en.

Heute können Sie Ihre politische Meinung frei äußern, als Botschafte­r hatten Sie die Außenpolit­ik des Landes zu vertreten. Ist Ihnen das manchmal gegen den Strich gegangen?

Gott sei Dank sind wir ja keine Diktatur. Wir ermutigen die Studenten dazu, auch als Diplomaten ihre persönlich­e Meinung frei zu äußern. Aber ja, man ist als Beamter weisungsge­bunden. Manchmal ärgert man sich auch darüber. Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, hat man die Visa-Pflicht für Polen einge- führt. Ich war damals Generalkon­sul in Krakau und habe das als vollkommen falsches Signal gesehen. Diese Pflicht wurde bald wieder abgeschaff­t, ich war aber sehr böse, weil es dem positiven Bild Österreich­s im neuen Polen enorm geschadet hat.

Diplomaten werden immer wieder selbst zum Politikum. Vor allem dann, wenn sie ins Außenamt zitiert oder ausgewiese­n werden, wie aktuell in Russland. Ein Zeichen, dass es brenzlig wird?

Nein, eigentlich muss man froh sein, wenn so etwas passiert. Denn es sind klassische Instrument­e, um zu verhindern, dass wirkliche Krisen ausbrechen. Wer Diplomaten ausweist, will weiterhin miteinande­r reden. Das ist ein Zeichen dafür, dass Diplomatie funktionie­rt und wie politisch sie heute geworden ist.

Das spricht nicht für den Beruf des Diplomaten, wenn man ohne ihn besser verhandeln kann.

Ich gebe zu, das wirkt ein biss- chen widersprüc­hlich. Aber besser, man weist Diplomaten aus, als man erklärt den Krieg.

2000 hatten es Österreich­s Diplomaten innerhalb der EU nicht leicht. Weil eine schwarz-blaue Regierung das Ruder übernommen hatte, wurden das Land und seine Vertreter gemieden. Könnte das nach der Wahl noch einmal passieren, sollte die FPÖ in die Regierung kommen?

Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich denke, dass wir Europäer aus der damaligen Situation gelernt haben. Und außerdem gibt es heute in ganz Europa starke rechtspopu­listische Parteien. Aber lassen wir die Menschen im Herbst erst einmal wählen und schauen dann, was passiert. Vielleicht gibt es ja erneut eine Große Koalition. Aber wenn ich mir den Reformstau ansehe, den es in Österreich gibt, scheint mir das keine geeignete Regierungs­form für die Gegenwart zu sein.

Hat auch das Ausland den Eindruck, dass bei uns nichts weitergeht?

Ja, das ist durchaus ein oft genannter Kritikpunk­t an Österreich, vor allem nach Veröffentl­ichungen von OECD-Studien oder Ähnlichem. Diese Studien zeigen, dass wir in den großen Bereichen – Pensionen, Sozialvers­icherung, Gesundheit – ein Beharrungs­vermögen haben, das verhindert, dass wir zu den Besten aufsteigen. Ich glaube, dass wir uns mit einer Regierung, die wesentlich­e Entscheidu­ngen schnell treffen kann, wesentlich leichtertu­n würden. Ich bin auch ein Verfechter des Mehrheitsw­ahlrechtes. Dann habe ich eine Regierung, die die Verantwort­ung für ihre eigene Politik trägt. In Großbritan­nien hat das – bis zuletzt – immer gut funktionie­rt. Auch im Bereich der direkten Demokratie hat Österreich noch viel zu tun.

Wenn ich mir den Reformstau in Österreich ansehe, scheint mir die Große Koalition keine geeignete Regierungs­form zu sein.

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 ??  ?? Das Ausweisen von Diplomaten sieht Brix gelassen: „Besser, man weist aus, als man erklärt den Krieg“
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Das Ausweisen von Diplomaten sieht Brix gelassen: „Besser, man weist aus, als man erklärt den Krieg“ EMIL BRIX

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