Die hohe Kunst, Worte schwerelos zu machen
Eine schwerelose Wortsymphonie und ein Klangtanz: zur Uraufführung von Friederike Mayröckers „Oper!“.
Das Wort Sommerfrische müsste schon bald neue Aktualität gewinnen. Und der hitzegeplagte Städter den Semmering wiederentdecken. Dass Kultur den Weg ebnet, davon ist Florian Krumpöck, der Intendant des Kultursommers Semmering, überzeugt. Der Dirigent und Pianist freut sich über steigende Besucherzahlen und das Südbahnhotel als zweite Spielstätte des Festivals.
Aus dem gediegenen Mix „Im Zeichen der Vielfalt“ragt die Uraufführung der poetischen Bühnenkomposition „Oper!“von Friederike Mayröcker in der Inszenierung von Otto Brusatti. Die Autorin hatte sich das Kurhaus für eine szenische Gestaltung gewünscht, in der Passagen aus ihrem jüngsten Werk (das 2018 erscheinen wird) von der formidablen Gruppe Mischwerk musikalisch umkreist werden. Eine Montage aus diversen musikalischen Genres wirft Mayröckers Text vielfach zurück. Dazu ertönt ihre Stimme, spricht Bernd Majcen, tanzt berührend und intensiv Maria Moncheva. Verwelkte Zweige, Chiffontücher, Spielsachen genügen, um im Ambiente des Kurhauses ein Leben atmosphärisch zu spiegeln.
Obwohl manches trivial, manches zu bedeutungsschwer gerät, entsteht ein schwebendes Gesamtkunstwerk, das die Diskussion über Gattungsgrenzen obsolet macht. Als gleichzeitig figürlich und abstrakt bezeichnet Mayröcker ihre Texte. Schwerelos bezieht sie sich auf den Philosophen Derrida, den Schriftsteller Francis Ponge, den Maler Francis Bacon. Ihr Assoziieren entzieht sich seit jeher der Ein-Ordnung, ist voll Mut, Ironie und Mit-Menschlichkeit, immer schließt es das Gegenüber mit ein. Vielleicht ist es obszön, bis ins hohe Alter schreiben zu wollen?, fragt sich Mayröcker und antwortet uns mit Erinnerungssplittern, poetischen Impressionen und surrealen Gedankenverbindungen. Die künden von Natur, Erotik, Spiritualität, dem Schwinden der Körperkräfte und Angst vor dem endgültigen Abschied. Großer Schlussbeifall für die 92-jährige Autorin.